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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Stehausschanks.
     
    Mit Äußerungen solcher Art stellte sich die Minderheit der Arbeitslosen, trotz der unparteiischen Berichterstattung der Medien, natürlich selbst ins Abseits. Unter dem Eindruck dieser Situation zeigte sich die Öffentlichkeit zunehmend bereit, das geplante Vorhaben zu unterstützen. Die Vorteile für die Mehrheit waren auch nicht von der Hand zu weisen und in der Summe höchst eindrucksvoll. Im folgenden Originalkommentar aus dem Wirtschaftsmagazin SALDO ist in prägnanter Form zusammengefaßt, wie weite Teile der Bevölkerung in diesen turbulenten Jahren die Situation beurteilten.
     
    Man sieht SALDO-Moderator Norbert S. Schröder hinter einem sehr teueren Schreibtisch sitzen. Er wirkt außerordentlich distinguiert und vertrauenerweckend.
    »Mit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen kryotechnischen Bedarfssteuerung der Arbeitsmarktsituation«, doziert er, »scheint tatsächlich so etwas wie die Quadratur des Kreises gelungen zu sein. Sehen wir uns einmal die Fakten an. 3,75 Millionen Bundesbürger sind ohne Arbeit, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 15%. Bei den erklecklichen Beträgen, die heutzutage als Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe bezahlt werden, addiert sich das auf die aberwitzige Summe von 30 Milliarden DM, die die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg jährlich bezahlen muß – für Arbeitsleistungen, die nicht erbracht werden. Und die Tendenz ist steigend. Die Folge davon: Die Bundesanstalt für Arbeit ist in nächster Zukunft – gutunterrichtete Kreise sprechen von einem knappen Jahr – zahlungsunfähig. Natürlich könnten aus Haushaltsmitteln zusätzliche Milliarden zur Verfügung gestellt werden, doch das ist ein Faß ohne Boden. Da es frühere Bundesregierungen versäumt haben, dem tiefgreifenden Strukturwandel im Arbeitsmarkt durch entschlossenes Handeln rechtzeitig gegenzusteuern, sitzt – verzeihen Sie die saloppe Formulierung – die Karre gründlich im Dreck. Dies um so mehr, als auch die Renten in höchster Gefahr sind. Durch die extrem hohe Arbeitslosenzahl hat die Berliner Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen beträchtlichen Einnahmenausfall zu verkraften, während andererseits die Ausgaben ständig wachsen. Kamen 1985 auf 100 Erwerbsfähige im Alter zwischen 20 und 59 Jahren noch 36 Rentner, werden es im Jahre 2008 schon 45 sein und 2030 gar 66. Berücksichtigt man außerdem die Kinder und Jugendlichen, die noch nicht in den Arbeitsprozeß integriert sind, wird im Jahr 2030 jeder Erwerbsfähige einen Nicht-Verdiener durchbringen müssen. Die Abgabenlast, die da auf uns zukommt, wird uns kaum noch Luft zum Atmen lassen. Die Belastung durch unproduktive Bevölkerungsgruppen wird einfach zu groß.« (Es folgen kurze Einblendungen: rauchende Schüler vor graffitiübersäter Wand, jugendliche Demonstranten mit Molotow-Cocktails, biertrinkende Arbeitslose, ungeniert knutschende Jugendliche in einer Discothek, eine lange Reihe von Liegestühlen, die ausschließlich von sonnenbadenden alten Leuten besetzt sind.) »Sie alle lassen es sich gutgehen, und wir spielen ›Esel streck dich‹.« (Ein Blick in eine Fabrikhalle. Man hört rhythmische Maschinengeräusche, die immer lauter werden bis zur Schmerzschwelle, das Bild beginnt zu zittern, während die Maschinengeräusche in laute, hektisch pochende Herzschläge übergehen.)
    »Solidarität in allen Ehren, aber sie hat dort ein Ende, wo man selbst zum Opfer wird. Es ist ein Unding, daß gewisse Bevölkerungsgruppen von einem sozialen Netz schmarotzen, an dem wir uns die Finger wundknüpfen. Das Konzept der Bundesregierung, Arbeitslose so lange in Kältetiefschlaf zu versetzen, bis sich die Arbeitsmarktsituation deutlich entspannt hat, ist daher nur zu begrüßen. Jährlich werden dadurch -zig Milliarden Mark gespart, die auf diese Weise freiwerden für Konjunktur- und Strukturförderungsmaßnahmen, für die Konsolidierung der Rentenversicherung und – wer weiß? – vielleicht sogar für Steuersenkungen. Die große Zahl älterer Arbeitsloser wirkt sich sogar doppelt positiv aus: Die Rente, die sie in nächster Zeit bezogen hätten, bleibt in den Kassen der Rentenversicherung, entlastet also deren Ausgabenkonto, und außerdem werden relativ hohe Arbeitslosengelder eingespart. Die Initiative der Bundesregierung ist für die große Mehrheit der Bevölkerung so vorteilhaft, daß ich schon heute vorauszusagen wage, daß dieses bemerkenswerte Konzept innovativer Sozialpolitik auch von den

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