L wie Liquidator
Bayreuth – nur und ausschließlich für seine eigenen Shows (man denke da an das naive Apple-Unternehmen der Beatles, über die wir ja vor vier Wochen gesprochen haben und die – es tut mir leid – ja auch Prüfungsfrage werden –, die ihren Laden allen öffnen wollten und schon wegen der Telephonrechnungen scheiterten). Es war schwer für R.W., da nicht zuzugreifen, noch dazu, wo sein Clan mit diesen Möglichkeiten voll ins Video- und TV-Geschäft einsteigen konnte – ein Treibsatz für die Verkaufszahlen der in wüster Dichte produzierten LPs: Viele Kollegen Richard Wagners sind unter weniger lukrativen Umständen dem Kommerz verfallen, für einen Startplatz beim Eurovisions-Spektakel zum Beispiel (Schmetterlinge) oder für die zweifelhafte Chance, eine Wahlkampagne (Wilfried et Comp.) musikalisch zu umrahmen. Es wäre nun aber vollkommen falsch, alle Schuld für Wagners Verkommen allein dem Diktat der Konsumverhältnisse zuzuschreiben, es gibt Beispiele in der Szene, daß diesem Diktat getrotzt werden kann (Ambros, Sigi Maron), Wagner aber war nicht für den Verzicht geschaffen (vgl. Morak, ›Der Mensch ist schlecht, der Kommerz ist groß …‹ ).
Die Analyse einiger weniger Songs soll belegen, wie schwankend der Künstler (wenn wir ihn dennoch weiterhin so bezeichnen wollen) war/wurde, wie er sich fast regelmäßig für die falsche Seite engagierte und damit ein kritisches Publikum systematisch vertrieb. Wagner steht in vielen Songs den Grünen nahe, unzählige Male erinnert er an den gesunden Tann, verherrlicht er, verbal zumindest, den deutschen Hochwald – es sei in diesem Zusammenhang auch auf das verdienstvolle Wirken Günther Schneider-Siemssens hingewiesen –, wirklich erobern konnte er diese inzwischen doch schon recht relevante Gruppe nicht …«
D’Arnoncourt bemerkte eine gewisse Unruhe im Auditorium. »Ich muß hier wohl eine Erklärung einschieben«, bemerkte er, »unter ›Tann‹ und ›Hochwald‹ verstand man damals üppig und wild wucherndes Gestrüpp, sogenannte Bäume, Unterholz, Sträucher und ähnliche Äußerungen – unkontrollierbare Äußerungen wohlgemerkt! – einer sogenannten ›Natur‹. Das waren Viren- und Bazillenherde ersten Ranges, natürlich, aber in ihrer Verblendung hat das die Menschheit erst sehr spät erkannt. Identisch mit den fanatischsten Irrenden der damaligen Zeit, ›Umweltschützer‹ nannten sie sich, waren, vielleicht verblüffenderweise, die Befürworter des Friedens. Das heißt heute für uns, Wagner hätte mit dem Ansprechen der ›Umweltschützer‹, ›Grüne‹ nannten sie sich, auch die Friedensbewegten – und das könnten auch wir hier und heute nur voll unterstützen und -schreiben –, ansprechen müssen.
Den Zug der aufflammenden Friedensbewegung aber hatte Wagner ganz einfach versäumt, in einer Zeit ständig eskalierender Angst propagierte er starrsinnig und enghirnig viel zu lange eine Politik der Stärke, der Waffe. Als er sich im ›Parsifal‹ endlich umgestellt hatte und Pfeil und Bogen verdammte, war es schon zu spät, das glaubte ihm keiner mehr. ›Es ist‹, formulierte es ein Insider, ›als würde ein Hurenbock wie Elvis plötzlich › Crying in the Chapel‹ und › I Believe in the Man in the Sky‹ singen.‹ ›… der Waffen Wucht! Wenn mit Lust ich focht, wie waren sie leicht …‹ schrieb er für Brünnhilde, ›Ihr Rosse stampfet (die Amerikaner richteten wenig später schon Delphine für die Marine ab!), Schwerter klirret laut, heut ist der Tag, der eure Siege schaut!‹ – diese dümmliche Verherrlichung des Krieges, mit der er sich natürlich in die nationalen Holzköpfe sang, fand seinen Tiefpunkt in ›Siegmunds Song‹, leider ein Hit, leider in jedem zweiten Wunschkonzert jener Zeit seinen verderblichen Einfluß verbreitend: ›Ein Schwert verhieß mir der Vater …‹ und wiederholt die trotzige Forderung ›Wo ist das Schwert? Das starke Schwert usw …‹, der Papa hat’s ja versprochen, was man verspricht muß man halten, also her mit dem Schwert: Hier wird nicht nur die Waffe verherrlicht, hier wird unverhüllt für Kriegsspielzeug geworben. Hier wird nicht nur einer fragwürdigen weil gewaltsamen Form zwischenmenschlicher Kommunikation das Wort geredet, sondern auch einer falschen, verantwortungslosen Erziehung. Hier macht sich R. Wagner in seinem kurzsichtigen, gewissenlosen Streben nach Erfolg um jeden Preis schlichtweg unmöglich. Hätte ihn die ›Make Love Not War‹-Bewegung nicht schon wegen
Weitere Kostenlose Bücher