Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
ausgehen.
Aber sie wurde auch für Jeb knapp. Seine Lungen zogen sich zusammen und der Wunsch zu atmen wurde übermächtig, aber jetzt aufzusteigen, würde Jennas Schicksal besiegeln. Nein! Bis er Luft geschnappt hätte und erneut zu ihr hinabtauchte, wäre sie ertrunken.
Ich muss es jetzt tun.
Jeb zog kräftig seine Arme durchs Wasser. Er ignorierte den Druck in seinem Oberkörper, der ihm das Gefühl gab, gleich zu explodieren, und schwamm tiefer.
Da! Ein goldenes Schimmern! Das muss Jenna sein. Ihr Haar.
Durch das Wasser war ihr Körper erst nur ein Schemen, wirkte wie etwas Flüssiges, das sich im Wasser aufzulösen schien. Doch je näher er kam, desto deutlicher konnte er sie erkennen. Jenna trieb reglos durch das Wasser. Ihre Augen waren offen, sie blickte Jeb an, aber er war sich sicher, dass sie ihn nicht erkannte, nicht wusste, was geschehen war. Aus ihrem Mund stiegen noch immer Luftblasen auf, mehr konnte Jeb im trüben, gebrochenen Licht nicht ausmachen. Er streckte seine Hand nach ihr aus, packte den Kragen ihres Hemdes und wandte sich um, der Oberfläche entgegen. Hastig strampelnd schwamm er los.
Das Blut kochte inzwischen in seinen Adern. Seine Lungen schrien nach Sauerstoff, doch Jenna zog ihn nach unten. Sie rührte sich nicht.
Als er schon glaubte, es nicht zu schaffen, war plötzlich Mary da. Fasste mit einer Hand nach Jennas leblosem Körper, mit der anderen nach Jeb und zog sie beide mit sich in die Höhe, dem Licht entgegen.
Zum zweiten Mal in kurzer Zeit war da dieses befreiende Gefühl, wieder atmen zu können. Zum zweiten Mal in kurzer Zeit hatte Mary ihnen das Leben gerettet. Jeb saugte die Luft in sich ein, stieß sie hart wieder hinaus. Neben ihm hielt Mary Jennas Kopf über Wasser.
Jenna bewegte sich noch immer nicht.
Marys Gedanken flogen wild durcheinander. Sinnlose Erinnerungen tauchten auf, aber dann war da ein Bild. Gekachelte Hallen, Chlorgeruch, kaltes Wasser auf erhitzter Haut. Das Bild eines Menschen, der einen Schwall Wasser erbrach.
Jenna hat Wasser in ihren Lungen. Es muss heraus, damit sie atmen kann.
Mary schwamm hinter Jenna, ließ ihren Kopf los und schlang beide Arme um das bewusstlose Mädchen. Als sich ihre Hände vor Jennas Körpermitte trafen, legte sie alle Kraft, die sie hatte, in die Umarmung und presste Jennas Brustkorb zusammen.
Ein merkwürdiges Geräusch entwich Jennas Lippen, fast so etwas wie ein Röcheln, dann riss Jenna den Mund weit auf und ein Strahl Wasser schoss aus ihr heraus. Hustend und keuchend folgte Schwall auf Schwall, bis Jenna endlich hastig atmen konnte.
»Oh Gott«, krächzte sie. »Was ist passiert? Wo sind wir?«
Mary hielt sie unter den Armen. »Ich weiß es nicht.«
Jeb, der alles wie in einer Starre von ein paar Metern Entfernung mit angesehen hatte, schwamm heran. »Jenna, alles okay?« In seinem Blick lag echte Sorge, es versetzte Mary einen Stich.
León. Dem ich nicht mehr helfen konnte.
Jenna in ihren Armen versuchte sich an einem Lächeln. »Meine Lunge brennt wie Feuer.«
»Weißt du, wo wir sind?«, fragte Mary an Jeb gerichtet.
»Ich sehe nur Wasser um uns herum. So weit das Auge reicht«, sagte er. »Wir müssen mitten in einem Ozean gelandet sein.«
»Dann sind wir verloren«, flüsterte Mary tonlos.
»Nein«, erwiderte Jeb fest. »Das kann nicht sein. Nicht nach allem, was wir durchgemacht haben. So kann es nicht enden. Es gibt einen Ausweg, eine Chance, die gab es bisher immer.« Er schaute Mary und die sich noch erholende Jenna eindringlich und, wie er hoffte, ermutigend an.
Er sah, wie Jenna sich umblickte. »Dann zeig sie mir, diese Chance.«
»Der Stern«, sagte Jeb. »Um Mitternacht wird er aufgehen. Bis dahin müssen wir durchhalten. Er wird uns den Weg weisen.«
»Aber wohin, Jeb? Wohin soll er uns führen. Da ist nichts. Nur Wasser und Leere.«
Mary wandte sich an Jenna. »Kannst du schwimmen?«
Sie nickte.
»Dann lasse ich dich jetzt los.«
Sie tat es und Jenna begann, Wasser zu treten.
»León ist tot«, sagte Mary nun leise. »Ich hätte bei ihm bleiben sollen. Besser mit ihm sterben als das hier.«
Keiner sagte etwas darauf. Jeb fragte sich: War es besser, in einer ausweglosen Umgebung am Leben zu bleiben und ums Überleben zu kämpfen? Warum überhaupt kämpfte er noch, rationierte seine Kräfte – Mary hatte recht: wofür?
Weil der Überlebenswille in dir steckt. Du kannst ihn nicht abstellen, dein Körper hält sich von ganz allein aufrecht. Er lässt dich mit Adrenalin
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