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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sechzig. Sechzig ist ja gar kein Alter.«
    »Nee«, sagte Kagelmann. »En Alter is es eijentlich noch nich. Un es jeht ooch allens noch. Un janz jut. Un es schmeckt ooch noch, un die Gebrüder Benekens dragen einen ooch noch. Aber viel mehr is es ooch nich. Un wen soll man denn am Ende nehmen? Sehen Se, Frau Rätin, die so for mir passen, die gefallen mir nich, un die mir gefallen, die passen wieder nich. – Ich wäre so for dreißig oder so drum rum. Dreißig is jut, un dreißig zu dreißig, das stimmt ooch. Aber sechzig in dreißig jeht nich. Und da sagt denn die Frau: borg ich mir einen.«
    Melanie lachte.
    Kagelmann aber fuhr fort: »Ach, Frau Kommerzienrätin, Sie hören so was nich un glauben jar nich, wie die Welt is un was allens passiert. Da war hier einer drüben bei Flatows, Cohn und Flatow, großes Ledergeschäft (un sie sollen's ja von Amerika kriegen, na, mir is es jleich), und war ooch en Gärtner, un war woll so sechsunfufzig. Oder vielleicht ooch erst fünfunfufzig. Un der nahm sich ja nu so 'n Madamchen, so von 'n Jahrer dreißig, un war ne Witib, un immer janz schwarz, un ne hübsche Person, un saß immer ins mittelste Zelt, Nummer 4, wo Kaiser Wilhelm steht un wo immer die Musik is mit Klavier un Flöte. Ja, du mein Jott, was hat er gehabt? Jar nichts hat er gehabt. Un da sitzt er nu mit seine drei Würmer, un Madamchen is weg. Un mit wen is se weg? Mit 'n Gelbschnabel, un hatte noch keene zwanzig uff 'n Rücken, un Teichgräber sagt, er wär erst achtzehn gewesen. Unmöglich is es. Aber ein fixer, kleiner Kerl war es, so was Italiensches, un war doch bloß aus Rathnow. Aber en Paar Oogen! Ich sag Ihnen, Frau Kommerzienrätin, wie 'n Feuerwerk, un es war orntlich, als ob's man so prasselte.«
    »Ja, das ist traurig für den Mann«, lachte Melanie. »Aber doch am traurigsten für die Frau. Denn wenn einer
solche
Augen hat...«
    »Un so was is jetzt alle Tage«, schloß der Alte, der auf die Zwischenbemerkung nicht geachtet hatte und wieder bei seinen Töpfen zu stellen und zu kramen anfing.
    Aber Melanie ließ ihm keine Ruh. »Alle Tage«, sagte sie.
    »Natürlich, alle Tage. Natürlich, alles kommt vor. Aber das darf einen doch nicht abhalten. Sonst könnte ja keiner mehr heiraten, und es gäbe gar kein Leben und keine Menschen mehr. Denn ein kleiner fixer Gärtnerbursche, nu, mein Gott, der findt sich zuletzt überall.«
    »Ja, Frau Kommerzienrätin, das is schon richtig. Aber mitunter findt er sich immer, und mitunter findt er sich bloß manchmal. Heiraten! Nu ja, hübsch muß es ja sind, sonst dhäten es nich so viele. Aber besser is besser. Un ich denke, lieber bewahrt als beklagt.«
    In diesem Augenblicke wurde, von der Hauptallee her, ein Einspänner sichtbar und hielt, indem er eine Biegung machte, vor der Bank, auf der Rubehn und Melanie Platz genommen hatten. Es war ein auf niedrigen Rädern gehendes Fuhrwerk, das den Geschäftsverkehr des kleinen Privattreibhauses mit der Stadt vermittelte.
    Kagelmann tat ein paar Fragen an den vorn auf dem Deichselbrette sitzenden Kutscher, und nachdem er noch einen andern Arbeiter herbeigerufen hatte, fingen alle drei an, die Palmenkübel abzuladen, die, trotzdem sie nur von mäßiger Größe waren, den Rand des Wagenkastens weit überragten und mit ihren dunklen Kronen, schon von fernher, den Eindruck prächtig wehender Federbüsche gemacht hatten.
    Alle drei waren ein paar Minuten lang emsig bei der Arbeit, als aber schließlich alles abgeladen war, wandte sich Kagelmann wieder an seine gnädige Frau und sagte, während er die zwei größten und schönsten Palmen mit seinen Händen patschelte: »Ja, Frau Rätin, das sind nu so meine Stammhalter, so meine zwei Säulen von 's Geschäft. Un immer unterwegs, wie 'n Landbriefträger. Man bloß noch unterwegser. Denn der hat doch 'n Sonntag oder Kirchenzeit. Aber meine Palmen nich. Un ich freue mir immer orntlich, wenn mal 'n Stillstand is und ich allens mal wieder so zu sehen kriege. So wie heute. Denn mitunter seh ich meine Palmen die janze Woche nich.«
    »Aber warum nicht?«
    »Jott, Frau Rätin, Palme paßt immer. Un is kein Unterschied, ob Trauung oder Begräbnis. Und manche taufen auch schon mit Palme. Und wenn ich sage Palme, na, so kann ich auch sagen Lorbeer oder Lebensbaum oder was wir Thuja nennen. Aber Palme, versteht sich, is immer das Feinste. Un is bloß man
ein
Metier, das is jrade so, janz akkurat ebenso bei Leben und Sterben. Und is ooch immer dasselbe.«
    »Ah, ich versteh«, sagte

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