Lady Chesterfields Versuchung
dabei helfen.“
Michael beschloss, nicht auf die Drohungen einzugehen, obwohl er keinen Augenblick bezweifelte, dass sie ernst gemeint waren. „Eure Schwester sollte nicht mit Belgrave tanzen. Ich traue ihm nicht über den Weg.“
„Er wirkt ein wenig affektiert, nicht wahr?“, stimmte Lord Quentin zu. „So übertrieben bemüht, bei den Damen Eindruck zu schinden.“
„Dagegen könntest du dir ein bisschen mehr Mühe mit deinem Äußeren geben“, stichelte Whitmore und musterte den purpurfarbenen Frackrock, den sein Bruder über einer zitronengelben Weste trug, skeptisch.
„Ich habe eben eine Vorliebe für farbenprächtige Kleidung.“ Achselzuckend wandte Lord Quentin sich ab, um dem Paar auf der Tanzfläche zuzusehen. „Ich schätze, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Vater wird Hannah niemals gestatten, Belgrave zu heiraten, selbst wenn er um ihre Hand anhalten sollte.“ Nachdenklich sah er zur Saaldecke hoch und zählte laut. „Wie viele Anträge hat es diese Saison schon gegeben? Siebzehn? Oder sind es siebenundzwanzig gewesen?“
„Fünf“, erwiderte Whitmore. „Glücklicherweise war keiner der Verehrer auch nur annähernd geeignet. Allerdings halte auch ich Belgrave nicht unbedingt für die erste Wahl.“ Der Earl verschränkte die Arme vor der Brust. „Es würde mich sehr erleichtern, wenn sie endlich einen Ehemann fände. Dann müsste ich mir um eine Angelegenheit weniger Gedanken machen.“
Whitmores angespannter Gesichtsausdruck ließ Michael vermuten, dass sein Freund sich um seine Gattin sorgte, die demnächst ihr zweites Kind erwartete. „Wie geht es der Countess?“, fragte er anteilnehmend.
„Noch einen Monat, dann ist das Kind, so Gott will, hoffentlich da. Emily will es unbedingt auf Falkirk zur Welt bringen.“ Lord Whitmore seufzte. „Bei Sonnenaufgang reisen wir ab. Aber ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich ihr die beschwerliche Reise in der Kutsche in ihrem Zustand zumuten kann. Unser letztes Kind kam ein paar Wochen früher als erwartet auf die Welt.“
„Emily sieht mittlerweile schon selbst aus wie eine kleine Kutsche“, warf Lord Quentin belustigt ein.
Whitmore bedachte seinen Bruder mit einem finsteren Blick.
„Ich halte ihn fest, wenn du ihm die Nase brechen willst“, erbot Michael sich freundlich.
Der Earl musste lachen. „Ausgezeichnete Idee, Thorpe.“
Michael ließ den Blick wieder zu Hannah schweifen. „Glaubst du, der Marquess wählt noch in dieser Saison einen Gatten für sie aus?“
„Ich bezweifle es.“ Whitmore zuckte die Schultern. „Es ist beinahe so, als stünde es Hannah auf die Stirn geschrieben, dass es aussichtslos ist, um sie anzuhalten.“
„Oder dass der Marquess jeden umbringt, der seiner Tochter schöne Augen macht“, ergänzte Quentin.
Die beiden Brüder fuhren fort, sich über ihre Schwester lustig zu machen, doch Michael wusste, dass sie, genau wie er, wild entschlossen waren, ihre Schwester vor allem Übel der Welt zu schützen.
Allerdings waren seine Wünsche nicht von Belang, denn er kannte die Wahrheit. Die Tochter eines Marquess konnte niemals die Gattin eines einfachen Soldaten werden.
Gleichgültig, wie sehr er sie begehrte.
„Lady Hannah, Sie sind mit Abstand die hinreißendste junge Dame im Saal.“ Zu den schwungvollen Klängen des neuen, Polka genannten Tanzes wirbelte Robert Mortmain, Baron of Belgrave, sie übers Parkett und lächelte selbstzufrieden.
„Vielen Dank“, erwiderte Hannah kaum hörbar und vermied es, den Baron anzusehen.
Sie konnte nicht leugnen, dass Belgrave mit seinem braunen Haar und den blauen Augen attraktiv aussah. Außerdem war er charmant und finanziell gesehen eine gute Partie. Sämtliche junge Damen versuchten, ihn für sich zu gewinnen – alle außer Hannah. Sie fühlte sich von seiner überheblichen Art abgestoßen.
Mach dir keine Sorgen deswegen, beruhigte sie sich im Stillen. Vater wird dich nicht zwingen, ihn zu heiraten, also musst du nicht einmal unhöflich sein. Das Problem würde sich von ganz allein lösen.
Hannah versteifte sich, als sie Belgraves Hand auf ihrem Rücken spürte. Seinem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, nutzte er den Tanz mit ihr, um mit ihr zu prahlen. Ihm ging es nicht darum, mit ihr zusammen zu sein. Er wollte lediglich mit ihr gesehen werden. Hannah verspürte einen pochenden Schmerz in den Schläfen.
In wenigen Minuten war der Tanz vorbei. Dann konnte sie in ihr Zimmer flüchten. Es war beinahe Mitternacht,
Weitere Kostenlose Bücher