Ladylike
die Neuerwerbung gebührend bewundert habe, frage ich ein wenig streng: »Kannst du dir das leisten?«
Eigentlich nicht. Aber dafür spart er ja an anderen Dingen, die ihm nicht wichtig sind. Sein Auto ist uralt, sein Fernseher funktioniert nicht richtig, der Kühlschrank stammt von seiner verstorbenen Großmutter.
Noch vor dem Abendessen will mir Rudi den antiken Schmuck präsentieren, den er in einem Juwelierkoffer mitgebracht hat.
»Darf ich auch?« fragt Anneliese, zieht sich einen Hocker heran und reibt sich die erdigen Finger mit einer Papierserviette ab.
Zuerst zeigt uns Rudi hübsche kleine Luxusgegenstände, die er aus demselben Nachlaß erworben hat. Zigarettenspitzen aus Elfenbein, silberne Brillenetuis, Parfumflakons aus Muranoglas, ein Klapplorgnon, Pillendöschen, goldene Medaillen, eine emaillierte Gürtelschließe, Taschenuhren. Sogar eine mit Brillanten verzierte Sonnenbrille ist dabei. Anneliese kommt aus dem Staunen nicht heraus. Dann wird Rudi feierlich, packt die wahren Pretiosen aus dem Schmuckkoffer und bettet sie vor uns auf ein schwarzes Samttuch. Ringe, Broschen und Ohranhänger, schließlich ein Collier und zum krönenden Abschluß das Diadem.
»Was sagst du nun?« fragt er erwartungsvoll.
Ich hatte die Lupe schon bereitgelegt und prüfe gewissenhaft Stück für Stück aus unterschiedlichen Epochen. Modische Schiffchen- und Schlangenringe, Ohrcreolen und Armbänder aus dem vorigen Jahrhundert werden sich bestimmt zu einem vertretbaren Preis verkaufen lassen. Aber das gesamte diamant- und edelsteinbesetzte Geschmeide und gar das Diadem ist schwer an den Mann zu bringen. Alles von musealem Wert und nur für sehr reiche Sammler erschwinglich. Meine ehemalige kleine Goldgrube ist zudem kein Juweliergeschäft, in das sich öfter mal ein Millionär verirrt. Wenn man Glück hat, geben Zahnärzte und Fabrikbesitzer zum Fünfzigsten ihrer Gattin etwas mehr aus.
Als ich Rudi meine Bedenken vortrage, fällt er nicht gerade aus den Wolken. Leicht verschämt gesteht er, daß er sehr an seinen Kleinodien hänge und sie am liebsten behalten würde.
Ich erzähle ihm von Percy, der seine Schätze hütete wie seinen Augapfel. Ich spreche warnend von einem fiktiven Fall, den ich aus der Literatur kenne: Ein besessener Juwelier ermordet einen Käufer, um seinen Lieblingsschmuck zurückzubekommen. Rudi sieht sich dadurch bloß in seinem Kunstverstand bestätigt.
Ein naives Naturkind ist Anneliese zwar nicht, doch vornehme Zurückhaltung kennt sie ebensowenig. Die ganze Zeit hat sie wie bei einem Feuerwerk nur Aaa und Ooo gejuchzt.
Rudi zuckt richtig zusammen, als sie ganz plötzlich nach einem geöffneten Futteral aus rotem Boxkalf grabscht und herausplatzt: »Das muß ich haben, und wenn es noch soviel kostet!«
Es handelt sich um eine sogenannte Parure, die sich aus einem Collier, Armband, Ring, Brosche und Ohrgehänge zusammensetzt. Reine Handarbeit mit eingelegten großen Smaragdcabochons und kleinen Rubinen, wahrscheinlich um 1830 entstanden. Anneliese hat mit diesem Griff zwar einen guten Geschmack bewiesen, aber auch eine völlige Fehleinschätzung ihrer finanziellen Möglichkeiten.
Nach kurzer Bedenkzeit nennt Rudi einen fairen Freundschaftspreis, und Anneliese erschrickt.
»Um Gottes willen!« sagt sie, wird blaß und legt alles wieder respektvoll zurück.
Ich unterdrücke ein Lächeln, denn ich mußte zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit auch erst mühsam lernen, die schönsten Stücke nicht für mich selbst zu requirieren.
»Eine Kette mit riesigen Smaragden ist nicht unsere Kragenweite«, tröste ich, »aber ein Blumenstrauß aus deinem Garten ist ohnedies viel schöner.«
Anneliese ist nicht meiner Meinung, denn keine Blüte kann funkeln wie ein Edelstein.
»Ich habe die Termine nicht mehr im Kopf«, sage ich, »wann sind denn die nächsten Messen?«
Aus Erfahrung weiß ich, daß man auf einer großen Antikenmesse in der Regel etliche Prunkobjekte an den Mann bringen kann.
»Dortmund im September, München im Oktober, Basel im November«, sagt Rudi, »unsere eigene in der Rhein-Main-Halle erst nächstes Jahr im Februar. Bis dahin bin ich glatt verhungert!«
Inzwischen hat auch Anneliese das Problem erkannt und überlegt gemeinsam mit uns, was man unternehmen könnte.
»Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt«, sagt sie zu Rudi, »dann muß der Prophet eben zum Berg gehen. Und da die richtigen Geldsäcke Lores schönen Laden leider ignorieren, müßten Sie mal Ihren
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