Ladylike
habe ich gelacht, bis mir der Bauch weh tat. Besser als jede Gymnastik, denke ich und springe munter aus dem Bett. Dabei fährt mir zwar ein schmerzhafter Stich ins Kreuz, aber ich will mir die gute Laune nicht verderben lassen.
Anneliese ist ebenfalls vergnügt, zum Glück schmettert sie aber keine Arien, sondern nur die Brötchen auf den Tisch. Ich stelle das Radio und den pfeifenden Wasserkessel ab.
»So ein entzückender Junge«, sagt sie, »einfach zum Knuddeln!«
»Meinetwegen darfst du ja ein bißchen schäkern, aber laß dabei die Finger aus dem Spiel«, warne ich, »er ist von Geburt an schwul.«
»Ich bin doch nicht blöd«, sagt Anneliese leicht gekränkt und funkelt mich an. »Warum willst du mir eigentlich jeden Spaß vermiesen?«
Wir blicken beide eine Sekunde lang zornig zum Fenster hinaus und müssen dann gleichzeitig lachen.
Mit dem Frühstückskaffee wollen wir nicht länger warten, aber unser Gast darf in Ruhe ausschlafen. Sein Geschäft muß heute eben geschlossen bleiben.
Doch die Geschichte läßt mir immer noch keine Ruhe. Sie dürfe Rudi nicht unterschätzen, bedeute ich meiner Freundin, er habe sich zwar gestern von seiner clownesken Seite gezeigt, sei aber alles andere als ein oberflächlicher Mensch. »Vom Typ her ist er eher ein Künstler mit erlesenem Geschmack«, setze ich hinzu.
»Habe schon verstanden«, sagt Anneliese. »Ich will ihn dir doch gar nicht ausspannen, du eifersüchtige Ziege!«
In diesem Moment kommt Rudi zur Tür herein, und wir werden rot. Hoffentlich hat er nichts von unserem Geplänkel mitgekriegt.
Rudi hat sich beim Rasieren geschnitten und sieht nicht ganz so taufrisch aus wie gestern nachmittag. Er mag weder ein Brötchen essen noch Kaffee trinken, sondern brüht sich Tee auf.
Es ist zwar lobenswert, daß er sich selbst bedient, aber muß er gerade nach der Nymphenburger Tasse greifen, die ich nur zur Dekoration aufgestellt habe? Ohne einen Schluck zu trinken, rührt und rührt er den Zucker um; schließlich starrt er wie gebannt auf die Küchenlampe, die noch von Annelieses Eltern stammt. Ein Wagenrad ist mit eisernen Ketten an der Decke befestigt, die vier Lämpchen sitzen in schmiedeeisernen Halterungen. Anneliese und ich reden über das Wetter.
»In Wiesbaden kennt mich doch jede Sau«, sagt Rudi ebenso grob wie unvermittelt, »dort mag ich nicht vorm Casino rumlungern und einen Scheich nach dem anderen anquatschen. Man könnte mich ja glatt für einen Stricher halten! Probieren wir es lieber mal in Baden-Baden!«
»Wir?« fragen Anneliese und ich wie aus einem Mund.
Heute nacht hat Rudi stundenlang gegrübelt und sich einen Plan zurechtgelegt. Wenn irgend jemand auf dieser Welt seriös und unschuldig wirke, dann zwei nette alte Damen.
»Stimmt«, sage ich sofort, »wir könnten schmuggeln, stehlen, dealen, morden, einbrechen, erpressen und kidnappen, soviel wir wollten, keiner hätte uns je in Verdacht. Niemand könnte eine Personenbeschreibung abgeben, denn man schaut uns seit Jahren nicht mehr an. Wir grauen Panther sind die unsichtbare Geisterarmee der Nation.«
»Lore«, sagt Rudi beeindruckt, »das hast du wirklich schön gesagt. Das klingt ja wie Arsen und Spitzenhäubchen ! Aber – sorry – ich möchte euch doch gar nicht zum Stehlen verführen!«
Doch das entscheidende daran ist der Spaß. Anneliese ist längst Feuer und Flamme. »Theo, wir fahrn nach Lodz!« jauchzt sie. »Dann feiern wir ein frohes Fest, das uns die Welt vergessen läßt!«
Unser Plan sieht schließlich so aus: In der Lounge des feinsten Kurhotels werden wir einen Aperitif bestellen und Ausschau nach Großkapitalisten halten. Rudi hat dann die Aufgabe, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Probeweise spielt er uns die Szene vor, drapiert ein rotkariertes Küchenhandtuch über eine Kugelvase und raunt dem imaginären Scheich ins Ohr: »Sehen Sie dort hinten meine adelige Großtante im Sessel sitzen? Die Ärmste hat gestern ihr ganzes Vermögen verzockt, nun wird sie sich leider von ihrem ererbten Familienschmuck trennen müssen!«
Etwas ärgerlich unterbreche ich ihn: »Kannst ja gleich Urgroßmutter sagen, Tante genügt doch!«
Meine Freundin, die ihr Leben lang der Bühne entsagen mußte, ist begeistert. »Und welche Rolle darf ich spielen?« fragt sie.
Rudis Scherze sind manchmal grenzwertig, unter Gekicher prustet er heraus: »Meine Amme natürlich!« Sekundenlang grinse ich schadenfroh, da verbessert er sich schon: »Anneliese spielt eine wichtige Nebenrolle
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