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Längst vergangen: Thriller (German Edition)

Längst vergangen: Thriller (German Edition)

Titel: Längst vergangen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Rector
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zementieren.
    Normalerweise hätte ich mit beiden Händen zugegriffen, aber diesmal nicht. Mein Vater war erst vor wenigen Wochen im Gefängnis an einem Herzanfall gestorben, und das Letzte, worauf ich Lust hatte, war, mich vor eine Menschenmenge hinzustellen und zu lesen. Ich wollte mich davor drücken, aber Doug ließ nicht locker, also spielte ich mit.
    Die Lesung war ein Erfolg, und hinterher blieb ich noch, um Bücher zu signieren. Diane war unter den Ersten, die nach vorn kamen. Sie erzählte mir, wie sehr meine Geschichte sie berührt und wie sie ihr den Mut gegeben habe, ihre Vergangenheit loszulassen und neu zu beginnen. Sie sagte, das Buch habe ihr das Gefühl gegeben, dass alles möglich sei.
    Wir redeten ein paar Minuten, aber ich erinnere mich an kein einziges Wort davon. Ich erinnere mich allerdings an die lässige Art, mit der sie sich eine lose Strähne ihres dunklen Haars aus dem Gesicht strich, hinters Ohr streifte und mich dann auf eine Weise anlächelte, von der ich wusste, dass sie alles verändern würde.
    Es war mir unmöglich, so zu tun, als hätte ich es nicht bemerkt.
    Ich signierte noch ein paar Bücher an dem Abend und redete mit allen, die vortraten, aber ich hielt immer wieder Ausschau nach ihr. Und als sich der Saal leerte und sich die Menge zerstreute, war sie immer noch da und wartete auf mich.
    Das war die erste Nacht.
    Einen Monat später waren wir verlobt.
    Die Leute reagierten überwiegend wohlwollend. Wir waren beide erwachsen, und da keiner von uns noch lebende Verwandte hatte, waren wir niemandem Rechenschaft schuldig. Am Ende gab es nur uns beide.
    Ein Richter traute uns an einem Mittwochnachmittag.
    Es war wunderschön.
    Das ist es immer noch.
    – – –
    Ich gehe bis zum Campus, dann kehre ich um. Niemand sonst ist auf den Straßen, und als ich nach Hause zurückkehre, scheint alles nicht mehr so schlimm. Als ich die Tür öffne und hineingehe, fühle ich mich besser als seit Tagen. Diane sitzt auf der Couch mit einem aufgeschlagenen Buch im Schoß.
    Sie sieht zu mir hoch und lächelt. »Geht’s dir besser?«
    Ich gehe zu ihr und küsse sie.
    »Wofür ist das?«, fragt sie.
    »Dafür, dass du hier bist.«
    Diane verdreht die Augen, dann widmet sie sich wieder ihrem Buch und sagt: »Überleg dir mal, was du essen möchtest.«
    Ich gehe in die Küche und schenke mir ein Glas Wasser ein. Ich leere es, dann hole ich ein Bier aus dem Kühlschrank und trinke es halb aus.
    Eine Weile stehe ich an der Spüle und beobachte durch das Fenster ein paar Eichhörnchen, die sich im Garten jagen. Ich bleibe, bis das Bier alle ist, dann werfe ich die Flasche in den Müll und öffne noch zwei, eine für mich und eine für Diane.
    Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer komme ich an dem Päckchen auf der Arbeitsplatte vorbei. Die Schere liegt noch obendrauf, wo ich sie liegen gelassen habe. Ich stelle die Flaschen ab und mache mich an die Arbeit.
    Wer immer den Karton zugeklebt hat, hat gründliche Arbeit geleistet, und mit einer Hand hineinzuschneiden, erweist sich als Herausforderung. Nach minutenlangem Kampf gelingt es mir, ineine Ecke zu schneiden. Ich ziehe das Klebeband in langen Streifen ab, bis ich den Karton oben öffnen und hineinsehen kann.
    Der Karton ist mit Luftpolsterfolie ausgestopft, und als ich sie abziehe, taucht der Umriss eines Glases auf. Es ist schwer, und am Deckel klebt eine Visitenkarte. Bis auf die Worte
»Mit den besten Empfehlungen von Thomas Wentworth«
, die auf den oberen Rand gedruckt sind, ist sie leer.
    Der Name sagt mir nichts, darum werfe ich die Karte auf die Theke, streife den Rest der Luftpolsterfolie ab und halte das Glas ins Licht, das durch das Küchenfenster einfällt.
    Dann lasse ich es beinahe fallen.
    Das Glas ist zur Hälfte mit einer dicken bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt, die im Sonnenlicht golden schimmert. Mein abgetrennter Finger schwimmt unten, dank des Gewichts meines Eherings direkt unter dem Knöchel.
    Zunächst registriert mein Hirn nicht, was ich sehe.
    Mein Finger sieht verschrumpelt und unecht aus. Das abgetrennte Ende ist ein Streifen zerfetztes Fleisch, der in der dunklen Flüssigkeit herumschwimmt wie blasses Seegras um einen zackigen Knochenkern.
    Ich starre ihn lange an und spüre, wie meine Hand unter dem Verband pulsiert. Als ich schließlich das Glas auf die Theke stelle und zurücktrete, kann ich nur daran denken, dass ich Glück gehabt habe.
    Ich habe meinen Ring wieder.

– 4 –
    Diane verkraftet das nicht sehr

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