Lallbacken
SPD-Generalsekretär nur mickrige 52,5 Prozent erreichte, da nannte sein hochkompetenter Parteichef Schröder das Ergebnis »ein Stück kollektive Unvernunft« der Parteibasis. Vernunft ist die Fähigkeit, sich ein Urteil bilden zu können.
Unvernunft bedeutet also, keine Urteilsfähigkeit zu besitzen. Wenn nun 47,5 Prozent der SPD-Basis quasi doof sind, können einen die 80,8 Prozent für Lallbacke Schröder auch nicht verwundern.
Kanzler Schröder machte sich aber auch durchaus seine Gedanken über die von ihm Regierten. In weiten Teilen der Gesellschaft, sagte er, herrsche eine »Mitnahme-Mentalität«, und zwar »bis in die Mittelschicht«.
Wie meinte er das? Im Bekannten- und Freundeskreis des Kanzlers finden sich ausschließlich bescheidene Menschen, die prinzipiell jede Einladung zum Essen, zum Besäufnis, auf die Yacht oder in den Urlaub ablehnen. Die nehmen nichts an, die nehmen auch nichts mit. Also, was die Mitnahme-Mentalität angeht – da meint der Kanzler wohl schon die üblichen Verdächtigen: nörgelnde Arbeitslose, jammernde Sozialhilfeempfänger und verbiesterte Ostdeutsche. Die können einfach den Hals nicht voll kriegen.
Berlins Regierender Bürgermeister assistierte dem Kanzler – die Nachwuchslallbacke Wowereit hatte etwas erfunden, was die Menschheit dringend brauchte: den Mentalitätswechsel. Dialog in der Mentalitätswechselstelle:
»Mentalitätswechsel der Herr?«
»Ja bitte.«
»Einwegmentalität oder Akku?«
»Einweg bitte.«
»Wollen Sie auch eine Reservementalität mitnehmen?«
»Ja bitte.«
»Dann werde ich Ihre alte Mentalität entsorgen.«
Nur der Herr Wowereit braucht keine neue Mentalität, sondern erst mal ein Gehirn.
Silvester schaute ein ziemlich übernächtigter Regierungschef in die Wohnstuben. In seiner Silvesteransprache behauptete Kanzler Schröder, jede und jeder könne ein Konjunkturmotor sein. Offenbar war der SPD-Chef der Ansicht, die Bevölkerung sei nur zur Stützung der Wirtschaft auf der Welt. Aber es kam noch dicker: »Ihr Vertrauen in die Zukunft entscheidet mit über den Arbeitsplatz Ihres Nachbarn.« Auf das Gegenteil möchte man sich auch nicht unbedingt verlassen. Aber von seiner Warte aus betrachtet hatte der Kanzler wohl recht: Mangelndes Vertrauen in die Zukunft gefährdete vor allem seinen Arbeitsplatz.
Ja, der ehemalige niedersächsische Arbeiterführer Schröder lieferte auch als Medienkanzler einen vorzüglichen Job ab. Im Bundestag machte er sich Sorgen um Schichtarbeiter, Polizisten und Feuerwehrleute, denen die Nacht- und Sonntagszuschläge nicht gestrichen werden dürften. Und dann ließ er das Volk teilhaben an seinen geheimsten Sehnsüchten und fiel über sie her, »die Nachtschwester, die sich für uns alle krummlegt«. Entgegen allen anders lautenden Meldungen war Schröder nur ein durchschnittlicher Mann.
Beim Amoklauf von Erfurt erschoss ein Neunzehnjähriger siebzehn Menschen. Daraufhin verlangte Kanzler Schröder nicht etwa von Waffenherstellern und -exporteuren, die Produktion und den Handel mit Schusswaffen einzustellen, weil es nun mal schwieriger ist, in einer Viertelstunde siebzehn Menschen mit bloßen Händen umzubringen als mit Colt oder Gewehr – nein, Schröder verlangte eine »Verringerung der Gewaltdarstellung« in den Fernsehprogrammen, als ob es sinnvoll wäre, reale Gewalt mit dem Verbot dargestellter Gewalt zu bekämpfen. Genauso gut könnte er versuchen, die Pubertät zu verbieten. Immerhin wurde das Mindestalter für Amoklauf auf 21 hinaufgesetzt.
Abgegriffene Phrasen und sinnentleerte Schablonen waren stets Glanzlichter in Kanzler Schröders Programm – die verkaufte er als harte und entschiedene Worte. Nach einem Handgranatenanschlag an einer S-Bahnstation in Düsseldorf donnerte er: »Es reicht!« Daraus konnte man schließen, dass es vorher noch nicht gereicht hatte.
»Wegschauen ist nicht mehr erlaubt!«, bellte er weiter. Dann war es also gestern noch erlaubt? Und überhaupt: Wer schaute denn weg? Gab es nicht stets Gaffer zuhauf? Legte sich, wie bei den rassistischen Krawallen in Rostock-Lichtenhagen, der Beifall klatschende Pöbel nicht sogar Kissen auf die Fensterbank, damit es beim Glotzen auch schön gemütlich war?
Und schließlich rief Cheflallbacke Schröder aus: »Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen, und ich weiß, dass das die übergroße Mehrheit ist.«
Wer waren diese Anständigen? Waren es die, die immer nur ihre Pflicht taten und dabei doch anständig blieben, wie Heinrich
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