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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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gegen Violett. Aleytys wartete. Die flackernden Farben verblaßten, kehrten zurück, als die Atemübungen die Turbulenz in ihrem Körper beruhigte. Dann war der Teich stillen Wassers wieder da. „Willst du mir helfen?“ flüsterte sie.
    Ein Bild von ernsten, schwarzen Augen; kräftiger als je zuvor. Ein Gefühl der Beruhigung und Zustimmung.
    Eine Minute trieb sie orientierungslos dahin, dann stammelte sie: „Danke … danke … danke …“ Tränen der Erleichterung stahlen sich unter ihren Augenlidern hervor, perlten über ihr Gesicht, näßten das Haar über ihren Ohren.
    Die schwarzen Augen zerknitterten zu einem Lachen. Sie fühlte Anerkennung durch ihren Körper leuchten. Dann trieb sie in einen tiefen, tiefen Schlaf hinüber.
     
    Das Schreien des Babys weckte sie. Sie glitt von der Koje und windelte es hastig frisch, dann legte sie ihn zum Saugen an, während sie durch die Planen stieß, um herauszufinden, weshalb der Wohnwagen angehalten worden war.
    Maissa war verschwunden. Die Stadt lag vor ihnen, ein massiver Block aus grauem Stein, von der angreifenden Horde wie von Ameisen umhüllt, die ein sterbendes Tier attackierten. Die Bogenschützen auf den Mauern sandten ihre Pfeile in die unten heranschwärmende Masse der Horde. Vor dem Tor schwangen zwei Trägergruppen Wagendeichseln, benutzten sie als Rammböcke gegen die eisenbeschlagenen Tore. Die Träger starben und starben und starben, doch es gab immer neue Leute, die die Plätze der Toten einnahmen, die Leichen und Verwundeten zur Seite traten, wenn sie ihnen im Wege lagen.
    Rings um die Mauer, soweit Aleytys sehen konnte, griff die Horde nach der Stadt. Manche fuhren dicht an die Mauern heran, hakten die Wagendeichseln ab, banden Seile daran und schleuderten sie mit unnatürlicher Kraft an den Mauern hoch, die die Deichseln – den daran festgeknoteten Strick hinter sich herziehend – in drei von fünf Fällen über die Mauerkronen fliegen ließ. Immer wieder schnitten die Verteidiger die Stricke durch, erschossen die Kletterer, spießten diejenigen aus der Horde auf, die die Mauerkrone erreichten. Aber jedesmal gelangten mehr von ihnen in die Stadt. Trotz der Hunderte, die starben. Mehr gelangten in die Stadt. Und die Leichen der Horde häuften sich immer höher an den Mauern, vergossen ihr Leben in einer Rücksichtslosigkeit, die Aleytys viel zu sehr schockierte, als daß sie ihren Blick von den Verlorenen hätte losreißen können. Und Schrecken häufte sich auf Schrecken; es machte keinen Unterschied, ob dieses Leben einem Mann, einer Frau oder einem Kind gehörte. Ohne einen Gedanken an Alter oder Geschlecht zu verschwenden, strömte die Horde gegen die Stadt und verbrauchte sich mit einer verschwenderischen Fülle, die Mauern und Verteidiger gleichermaßen überwältigte.
    Schließlich öffneten sich die Tore mit donnerndem Getöse, Teile der Mauer wurden von den Stadtleuten gesäubert. Zahllose Hordenkreaturen ergossen sich wie Ameisenkolonnen über die Mauern und durch das Tor in die Stadt hinein. Aleytys sah zum Himmel hinauf. Die Sonne war auf halbem Wege zwischen Mittag und Sonnenuntergang. Drei Stunden. Sie lehnte sich zurück, schloß die Augen, um die schlurfende, schweigende Horde auszusperren, die über den Leichnam der Stadt ausschwärmte. Maissa war unter ihnen. Wild durch das Tor rennend, Arme und Messer mit Blut bespritzt. Eine Orgie des Todes, in der Angreifer und Angegriffene in einer wahnsinnigen, trunkenen, tödlichen Umarmung aufeinandertrafen. Drei Stunden, um eine Stadt zu vernichten.
    Als sie die Augen wieder öffnete, starrte sie voller Feindseligkeit auf den Wagen des Meisters. Sitzt da wie eine Spinne unter diesem haarigen, weißen Berg, dachte sie. Wieviel Tod ist notwendig, um einen Meister zu machen?
    Hinter dem Wall aus Schwertklingen standen zwanzig Männer, die Augen wachsam, die Körper unter eigener Kontrolle, ausgesondert aus dem Rest der geistlosen Horde; sie trugen Helme aus silbrigem Metall, struppige, schwarze Haarsträhnen ragten darunter hervor wie grobes Gras unter einem Felsen. Aleytys rieb sich die Stirn. Diese Helme … Aber es gab noch immer keine Chance, den Meister zu töten … Keine wirkliche Chance … Da war noch zuviel Verwirrung … Sie wußte noch nicht genug … Noch nicht …
    Sie blickte über den See hinaus, starrte finster auf die steil ansteigenden Erdwogen; Miks, ich hoffe, du bist irgendwo dort draußen. Irgendwo, irgendwo. Ahai, Madar. Ich wünschte, ich wäre dort bei

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