Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
Kapitel 1
Josés große, braune Augen durchbohren mich und katapultieren mich damit in die erste Krise des Tages. Der Mann ist einfach nur schön und aufregend. So ähnlich wie der Mann, mit dem ich die vergangene Nacht verbracht habe und dessen Lippen ich noch immer heiß auf meinen Lippen spüre – auf denen im Gesicht und auf denen zwischen den Beinen. Mein Gott, was ist nur mit meinem schönen, geregelten Leben los? Und mit mir überhaupt? Drehe ich jetzt total durch? Ich weiß nicht mehr, was ich fühlen, tun oder sagen soll. Außer dem lahmen „Guten Morgen“, das schwach über meine brennenden Lippen kommt.
Dafür ist auf Mutter Verlass. Natürlich. Ich hatte auch nichts anderes erwartet.
„ Lassen Sie meine Tochter erst mal zu sich kommen. Sie sehen doch, dass sie ganz benommen ist“, meldet sie sich bestimmend. Wie aus dem Nichts taucht sie neben dem Kommissar auf, frisch und munter und perfekt gestyled. Sie drängt ihn zur Seite und streicht mir mit einer Hand tastend über die Stirn. Dazu setzt sie eine höchst besorgte Miene auf, was sich in leicht hochgezogenen Augenbrauen, in Verbindung mit einem zu einem kleinen O gespitzten Mund zeigt.
Bevor ich darüber nachdenke, was ihr merkwürdiges Verhalten im Klartext bedeutet, suchen meine Augen den kleinen, silbernen Wecker.
Es ist fast Mittag, und ich bin froh, dass Mathis mich in mein statt in sein Bett gebracht hat. Um neugierigen Fragen meiner Mutter aus dem Wege zu gehen, habe ich darauf bestanden. Feige wie ich bin. Das bereue ich jetzt. Hätte ich auch nur ein bisschen Mumm besessen, wären die Fronten nämlich geklärt und ich bräuchte mir zumindest keinerlei Gedanken darüber zu machen, ob ich immer noch scharf bin auf José Carreras.
Momentan jedenfalls würde ich mich am liebsten in Luft auflösen, da mich die großen, braunen Kommissarsaugen total nervös machen. Abgesehen von dem ganzen Menschenlauf vor meinem Bett. Dabei hatte der Tag so schön begonnen und ich hatte mich schon so auf ein leckeres Frühstück in der Schlossküche gefreut. Mit geröstetem Weißbrot und geräuchertem Lachs. Und mit Mathis.
„Ich würde gern zunächst allein mit Jade sprechen“, sagt José und weist auf die Verbindungstür. „Sie können zusammen mit meiner Kollegin nebenan warten, Madame Dechamps.“
„Bevor ich mich nicht persönlich davon überzeugt habe, dass es meiner Tochter gut geht, gehe ich nirgendwohin“, gibt Mutter dem Kommissar zu verstehen und macht Anstalten, mir aus dem Bett zu helfen.
Ich verstehe leider gar nichts, schon gar nicht, warum ich ausgerechnet jetzt aufstehen soll, aber Mutter hilft mir auf die Sprünge. In jeder Hinsicht.
„ Dein Fieber ist gesunken“, verkündet sie mit fester Stimme, während sie mir erneut die Stirn tätschelt. „Ich begleite dich zur Toilette, damit du nicht wieder umfällst.“
Ich überlege, wann ich je in meinem Leben umgefallen bin, und komme zu dem Schluss, dass die kleine Unpässlichkeit vorgestern Abend das einzige Mal war. Davor war ich stets sehr standfest.
„ Lass’ es gut sein, Mutter“, sage ich darum. „Du musst mir nicht helfen. Mir geht es wirklich ausgezeichnet.“
„Da muss ich dir widersprechen, meine Kleine. Die Wahrheit ist, dass du kreidebleich bist im Gesicht. Du hast die ganze Nacht gefiebert, während ich neben dir am Bett gesessen habe. Erinnerst du dich denn an gar nichts mehr? Das ist ja noch schlimmer als ich dachte. Du musst trinken, Jade. Gleich nachdem du zur Toilette warst.“ Sie schiebt einen Arm unter meinen Rücken und zischt mir ins Ohr: „Zwei Minuten, du und ich im Bad. Danach entscheidest du, was du tust. Ich flehe dich an.“
Der merkwürdig gespannte Klang in Mutters Stimme macht mich stutzig. Abgesehen davon, dass sie mich nie zuvor angefleht hat. Was soll’s, denke ich, den Gefallen kann ich ihr tun. Außerdem weiß ich ja sowieso nicht, was ich fühlen, denken oder sagen soll. Und vielleicht sehe ich ja klarer, wenn ich mir ein paar Spritzer Wasser ins Gesicht geklatscht habe.
Seufzend erhebe ich mich , froh darüber, dass ich in der vergangenen Nacht noch einmal ausgiebig gebadet und anschließend einen Schlafanzug übergezogen habe! Nicht auszudenken, was hier los wäre, wenn ich in meiner halb-Vogel-halb-Pferd-Bemalung ins Bett gekrochen wäre.
„Was geht hier vor?“, zische ich meiner Mutter zu, als wir uns allein im Bad befinden. Ein Blick in den Spiegel bestätigt mir, dass mein Gesicht weiß ist wie die getünchten Wände im
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