Lamarchos
verlor die letzte Spur von Rot. Sie wrang ihn wieder aus und hängte ihn zurück über den Sitz zum Trocknen. Sie hob den Eimer hoch, starrte in das Wasser hinunter, dann auf Maissa, und plötzlich lächelte sie grimmig. „Es ist einen Versuch wert …“ Sie schwang den Eimer herum und schleuderte das Wasser in Maissas Gesicht. Sie reagierte nicht einmal mit einem einzigen Zucken. Aleytys seufzte.
Trommelschläge pochten in der bleiernen Stille. Maissa stand auf.
Aleytys begann, auf sie einzureden, dann schüttelte sie den Kopf. Zwecklos. Das Lärmgewirr war dasselbe wie vorher, pendelte sich jedoch schnell in den monotonen Doppelschlag ein. Die Horde sammelte sich, stand gedrängt Schulter an Schulter und sang das endlose, unveränderliche „Ah … oh …“
Der Meister trat aus dem Zelt, setzte sich auf den Fellhaufen und umklammerte seinen Schädel; der letzte Überlebende der Meisteranwärter saß zwischen seinen massigen, klumpigen Knien und starrte mit strahlenden Augen auf die schwankende Menge, das dünne, hübsche Gesicht glänzte in gewaltigem Stolz.
Der Schamane schoß aus dem Zelt und stieß einen schlurfenden Seenländer vor sich her, dessen Augen getrübt waren. Stolpernd und schwankend näherte sich der Gefangene dem Meister und fiel unter den auf ihn einprügelnden Händen des hysterisch jubelnden Schamanen auf die Knie. Er grub die Fäuste in das Haar des Gefangenen und riß dessen Schädel zurück. Der Jüngling sprang auf, den Dolch in der einen, die Schüssel in der anderen Hand.
Hastig riß Aleytys ihren Blick weg und starrte zu Boden, schüttelte sich bei dem abrupt zum Schweigen gebrachten Schrei, der durch das dröhnende Tamtam der Trommeln gellte. Als sie aufschaute, senkte der Jüngling die Schüssel und wischte sich mit dem Rücken einer schlanken, starken Hand das Rot vom lachenden Mund.
Das Singen und der Trommelschlag gingen immer weiter, bis Aleytys glaubte, sie würde irre kreischend den Verstand verlieren. Dann wehte ein dünnes Winseln aus dem Wohnwagen.
„Sharl!“ Sie stürzte ins Innere des Wagens. Er strampelte mit den Füßen, winkte mit den Händen herum und wimmerte mürrisch. Sie schaute eine Minute lang zu, bevor sie ihn berührte, dann lächelte sie in schwacher Erleichterung, als sie sah, daß er nicht unter dem Bann der Trommeln stand. Sie tastete die Windel ab und lachte laut. Und er war außer sich vor lauter Unbehagen.
Als sie ihn neu gewickelt hatte, murmelte er schlaftrunken und schlief dann mit einer konzentrierten Entschlossenheit wieder ein, die ihr ungeheuer gut gefiel. Sie zerzauste seine Locken mit einem Zeigefinger. „Mein Sohn …“
Sie schob die Planen beiseite, beugte sich über die Kutschbocklehne hinaus; alles in ihr schrie nach Schlaf. Aber sie war entschlossen, nötigenfalls die ganze Nacht durchzuhalten, um herauszufinden, was geschah, wenn der Singsang verstummte. Wenn er überhaupt je verstummte. Nach einer Stunde streckte sie steif gewordene Glieder, stand auf, kletterte hinaus und setzte sich neben Maissa.
Der Trommelschlag hörte auf. Aleytys blickte zum Mond hinauf. Nur zwei Stunden. Aber es kam ihr vor, als wären Jahre vergangen. Sie streckte sich und gähnte.
Maissa neigte sich immer weiter vor, bis sie das Gleichgewicht verlor und vom Sitz gestürzt wäre, wenn Aleytys nicht schnell genug reagiert und sie gegriffen und zurückgezogen hätte. Sie war völlig schlaff, der Mund hing leicht geöffnet herab, die Augen waren geschlossen, eine Lumpenpuppe, aus der das Sägemehl herausrieselte.
Maissa war tief im Schlaf versunken. Als würde sie unter dem Einfluß einer Droge stehen. „Was kommt wohl als nächstes?“ murmelte Aleytys. Sie blickte sich um. Auf dem vom Mond versilberten, böse zugerichteten, grasbewachsenen Feld lagen die Hordenkreaturen wie durcheinandergeworfen, lagen, wohin sie gefallen waren, ein Gewirr von Gliedmaßen und Leibern. Sie wandte sich dem Wagen des Meisters zu. Die Wachen waren zurückgekehrt, zogen ihre Runden um das Zelt, wachsam und gefährlich. „Verdammt“, knurrte sie. „Wir stecken hier mitten in der Horde fest.“
Angewidert schüttelte sie den Kopf; dann hievte sie Maissa vom Sitz, zerrte sie ins Wohnwageninnere und streckte sie auf ihrer Koje aus. Nach einer Weile verließ sie den Wohnwagen durch den rückwärtigen Ausgang und sah sich um. Überall auf dem Boden, ein Körper auf dem anderen liegend, schlief die Horde, ein paar von ihnen waren sogar in schmerzhaften Verzerrungen gegen
Weitere Kostenlose Bücher