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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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    1
    » ROSIE! « Großvaters Gebrüll erschütterte das Haus in seinen Grundfesten.
    »Warum immer ich?« Rose wischte sich mit einem Küchentuch den Spülwasserschaum von den Händen, klaubte die Armbrust vom Haken und stapfte auf die Veranda hinaus.
    »Roooosie!«
    Mit dem Fuß stieß sie die Fliegengittertür auf. Hoch aufgerichtet stand er im Vorgarten, ein riesiger Zottelbär von einem Mann, die verwirrt blickenden Augen weit aufgerissen, den verfilzten Bart mit Blut und glibberig gräulichen Fleischfetzen verkrustet. Sie legte die Armbrust auf ihn an. Er war mal wieder voll wie eine Haubitze.
    »Was gibt’s?«
    »Ich will ins Pub. Eine Halbe trinken.« Seine Stimme wurde weinerlich. »Gib mir Geld!«
    »Nein.«
    Er fauchte sie an, schwankte dabei auf unsicheren Beinen. »Rosie! Das ist deine letzte Chance, mir einen Dollar zu geben.«
    Sie seufzte und erschoss ihn. Der Bolzen traf genau zwischen die Augen, und Großvater fiel auf den Rücken, gefällt wie ein Baum. Seine Beine zuckten auf dem Boden.
    Rose stützte den Kolben der Armbrust auf ihre Hüfte. »Also schön, kommt raus.«
    Die beiden Jungen traten hinter der riesigen Eiche hervor, die ihre Äste über den Vorgarten reckte. Beide waren mit rötlichem Matsch, Harz und dem übrigen undefinierbaren Zeugs besudelt, das ein Acht- und ein Zehnjähriger so im Wald fanden. Georgies Hals zierte ein gezackter Kratzer, aus seinen blonden Haaren lugten braune Kiefernzweige hervor. Auf der Haut zwischen Jacks Fingerknöcheln zeichneten sich rote Striemen ab. Als er sah, dass Rose seine Hände betrachtete, riss er die Augen auf, seine bernsteinfarbenen Iriden flackerten gelb, und er verbarg die Fäuste hinter dem Rücken.
    »Wie oft muss ich euch das noch sagen? Ihr sollt die Finger von den Wehrsteinen lassen. Jetzt seht euch Großvater Cletus an! Er hat mal wieder Hundehirn gegessen, und jetzt hat er einen im Kahn. Ich brauche bestimmt eine halbe Stunde, bis ich ihn abgespritzt habe.«
    »Wir vermissen ihn aber«, wandte Georgie ein.
    Sie seufzte. »Ich vermisse ihn auch. Aber betrunken nützt er niemandem etwas. Also, ihr zwei, bringen wir ihn wieder in seinen Schuppen zurück. Fasst mal die Beine an.«
    Gemeinsam schleppten sie Großvaters leblose Gestalt zu dem Schuppen am Rand der Lichtung und warfen ihn auf seine Sägespäne. Rose entrollte die Eisenkette in der Ecke, zerrte sie quer durch den Schuppen, klinkte sie in die Manschette um Großvaters Hals und zog sein linkes Augenlid hoch, um die Pupille zu checken. Noch nichts Rotes. Guter Schuss – er würde stundenlang außer Gefecht gesetzt bleiben.
    Rose stellte einen Fuß auf seine Brust, umfasste den Bolzen und zog ihn mit einem Ruck heraus. Sie kannte noch genau den Großvater Cletus von früher: ein hochgewachsener, eleganter Mann, unschlagbar mit dem Rapier, eine leicht schottisch gefärbte Stimme, die seine Herkunft verriet. Selbst in seinem Alter hätte er gegen Dad noch in einem von drei Waffengängen bestanden. Und jetzt war er … dieses Ding. Sie seufzte. Es tat weh, ihn so zu sehen, aber daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Solange Georgie unter den Lebenden weilte, tat das auch Großvater Cletus.
    Die Jungen brachten den Gartenschlauch, Rose drehte das Wasser an, stellte die Düse auf »Jet« und richtete den Wasserstrahl auf Großvater, bis Blut und Hundefleisch abgewaschen waren. Sie hatte nie so recht begriffen, warum »ins Pub gehen« streunende Hunde aufscheuchen und ihre Gehirne verzehren bedeutete, aber wenn Großvater aus seinem Wehrkreis herauskam, war kein Straßenköter vor ihm sicher. Nach dem Abspritzen hatte sich auch das Loch in seiner Stirn geschlossen. Wenn Georgie etwas von den Toten zurückholte, gab er ihm nicht bloß das Leben zurück, es wurde durch ihn auch so gut wie unzerstörbar.
    Rose trat aus dem Schuppen, schloss die Tür hinter sich ab und zerrte den Gartenschlauch zur Veranda zurück. Ihre Haut prickelte, als sie die unsichtbare Grenze überschritt. Die Jungen mussten die Wehrsteine zurückgelegt haben. Blinzelnd musterte sie die Wiese. Ja, da waren sie, eine Reihe kleiner, scheinbar ganz gewöhnlicher, im Abstand von gut einem Meter platzierter Steine, ein jeder schwach magisch aufgeladen. Zusammen bildeten sie eine verzauberte Barriere, die ausreichte, um Großvater auch dann in seinem Schuppen festzuhalten, wenn er seine Kette sprengte.
    Rose winkte die Jungen heran und hob den Gartenschlauch. »Jetzt seid ihr dran.«
    Sie krümmten sich unter dem

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