Landleben
einem Kaufhaus in Alton in der Stoffabteilung,
bis ihr kleiner Sohn ihr ein schlechtes Gewissen verursach-
te: Schluchzend lief er auf der Mifflin Avenue hinter ihr
her, als sie zur Straßenbahn ging; sie gab die Stelle auf, um
mehr Zeit für ihn zu haben. Sein Vater, Floyd Mackenzie,
kam aus Maryland. Owen war nach einem kränklichen
Großvater genannt worden, der vor seiner Geburt gestorben
war, aber, Familiengeschichten zufolge, etwas Funkelndes
gehabt hatte und einen erfinderischen Kopf, was sie für
schottisch hielten. Er besaß in Mt. Airy eine Eisenwaren-
handlung, dieser ursprüngliche Owen, und hatte in seiner
Freizeit Erfindungen gemacht, Verbesserungen an den Ge-
räten, die er verkaufte – einen Unkrautjäter, den man be-
dienen konnte, ohne sich zu bücken, eine Heckenschere,
die so konstruiert war, dass sich das Gelenk sehr viel leichter
bewegen ließ –, aber keine Firma hatte je die Herstellung
dieser Erfindungen übernommen und ihn reich gemacht.
Er starb bankrott und tuberkulosekrank. Doch ein Funke
seiner Hoffnungen, die harte Welt überlisten zu können,
ging auf seinen Enkel über. Die Mackenzies waren nicht
reich, aber sie waren schlau, findig. Owens Vater sagte zu
ihm: «Du schlägst meinem Vater nach. Du hast seine intel-
lektuelle Neugier. Er saß gern da und dachte darüber nach,
wie bestimmte Dinge funktionieren. Ich habe mich so et-
was nie gefragt, nur, wo mein nächster Dollar herkäme.» Daddy sagte das etwas bedrückt, als sei das Mackenzie-
Erbe kein ungetrübtes Vergnügen – eine hoffnungsfrohe
Phantasie, gemischt mit einer gewissen Zartheit der Kon-
stitution, und eine wesentliche Unkenntnis davon, wie die
Welt funktionierte und sich Tag für Tag weiterdrehte und
einem das Geld aus der Tasche zog.
Auch der Großvater, in dessen Haus Owen wohnte, hatte
etwas von einem Träumer; er hatte seine Farm verkauft und
sein Geld in Aktien angelegt, die wertlos wurden. Er war
ein Pennsylvania-Deutscher, aber von einem anpassungs-
fähigen Schlag: Er sprach perfekt Englisch, las getreulich
die Nachmittagszeitung und schmückte sein Nichtstun mit
großen Gedanken und eindrucksvollen Sprüchen aus. In
dem alten Mann mit dem gelbstichigen Schnurrbart, dem
weißen Haar und den anmutig gestikulierenden Händen
erkannte Owen die Schwermut des partiellen Außensei-
ters, der in der einzigen Umgebung, die er kannte, seinen
Weg zu den Quellen der Macht, zu den entscheidenden
Geheimnissen nicht richtig gefunden hatte.
«Pop hätte Politiker werden sollen, er redet wie ein Was-
serfall», sagte sein Schwiegersohn öfter, doch selbst Owen
sah, dass sein Großvater zu penibel für die Politik war, zu
passiv im Denken, so wie er sich durch den Tag bewegte,
vom Gemüsegarten, wo er hackte und Unkraut jätete und
seine Zigarre rauchen konnte, in sein Schlafzimmer oben,
wo er ein Nickerchen machte, zu dem Sofa mit der aus
Rohr geflochtenen Lehne im Wohnzimmer, wo er saß und
daraufwartete, dass Grammy das Abendessen zubereitete.
Sein Haus stand zwar in Willow, gehörte aber, abgesehen
von dem einzelnen Kind darin und Grammy, nicht richtig
dazu. Grammy war eine Yoder, die Jüngste von zehn Ge-
schwistern, Angehörige einer großen Sippschaft, die über das ganze County verteilt lebte. In Willow wohnten vie-
le ihrer Verwandten, Cousinen und Nichten und Neffen;
manchmal verdiente sie sich ein bisschen Geld, indem sie
ihnen beim Frühjahrsputz half oder das Essen für eine gro-
ße Zusammenkunft mit zubereitete und servierte. Diese
Verwandten hatten Geld: Sie besaßen kleine Geschäfte
oder hatten gute Stellungen in den Strumpffabriken; sie
trugen schöne Kleider und machten Ferien in den Poconos
oder an der Küste von Jersey. Als Owen einmal hörte, wie
sie liebevoll von «Aunt Annie» sprachen, in dem schlep-
penden sentimentalen Ton, in den Leute vom Lande einst
so schnell hineingerieten, fiel es ihm im ersten Moment
schwer zu begreifen, dass sie Grammy meinten. Für andere
Menschen, so wurde ihm bewusst, sind wir andere Men-
schen.
Seit Owen nicht mehr dort wohnte, kam ihm seine Hei-
matstadt wie ein unschuldiger, kostbarer Ort vor; doch das
war ihm nicht aufgegangen, als er dort lebte. Es war die
Welt, mit einer unergründlichen Vergangenheit und mit
Grenzen, die seinen Horizont überstiegen. Es gab Schlan-
gen im Gras und in den Steinhaufen, die von der Sonne er-
wärmt wurden. Sex und Religion hatten einen deutlichen,
uralten Geruch; Familien klebten wie unsichere Nester auf
den verworrenen
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