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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Zweigen vorausgegangener Geschichte,
und der Tod konnte mitten in der Nacht zuschlagen. In
der Zeit, als der junge Danny Hoffman Selbstmord beging
und als Owen noch ein Kind war und unter einem Bücher-
bord schlief, auf dem seine zwei Dutzend Big Little Books
neben einem einäugigen Teddybären namens Bruno und
einer Mickey Mouse aus Gummi mit nackter schwarzer
Brust und gelben Schuhen standen, brannte am Orts-
rand von Willow ein großer Pferdestall nieder – er gehör-         te zur Blake Farm, dem Besitz abwesender reicher Leute
aus Delaware –, und sein Vater, der wie ein Junge hinter
Unglücksgeschichten her war, berichtete, wie die Pferde,
nach draußen in Sicherheit gebracht, in ihrer Panik wie-
der hineinrannten und wie schrecklich der Gestank von
ihrem brennenden Fleisch und Haar gewesen war. In je-
ner Nacht konnte man von Owens Fenster den orangefar-
benen Schein am Himmel sehen und davor die Umrisse
des Daches und der Schornsteine des Hauses neben dem
unbebauten Grundstück und die Silhouetten der höchsten
Fichten und Hemlocktannen in den Gärten dahinter. Im-
mer wieder ertönten die Feuersirenen der Stadt, ein gewal-
tiger, wütender Schrei, auf den keine Antwort kam. Wie an
dem Morgen, als der Pistolenschuss knallte, hatte Owen
sich auf die Seite gerollt und war wieder eingeschlafen und
hatte so die Sturzbache vom Schmerz in der Welt über sich
hinwegbranden lassen.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

II Kleinstadt-Sex 1
     
     
     
    Sich selbst zu töten war der Bibel nach die schlimmste
Sünde überhaupt, erklärten Owens Lehrer in der Sonn-
tagsschule; besonders streng in diesem Punkt wie auch in
anderen war der blassgesichtige Mr. Dickinson mit dem ei-
sengrauen Haar, der Manager der Bank. Sich selbst zu töten
war schlimmer, als einen anderen Menschen in einem Akt
der Selbstverteidigung umzubringen, was ja die Jungen der
Familie Yost in Übersee taten. Es war, als hätte sich auf der
stillen Mifflin Avenue, wo am frühen Morgen immer noch
die Pferde des Milchwagens mit ihren trägen Hufen den
Asphalt zum Klingen brachten, neben Owens Zimmer ein
Krater geöffnet, ein Krater schrecklicher Möglichkeiten,
ein Verleugnen von allem, der Bäume und der Vögel und
des blauen Himmels und der gesegneten Ruhe der Natur.
Buddy Rourkes Vater war in diesen Krater gefallen, obwohl
er es nicht beabsichtigt hatte, oder vielleicht – es war un-
klar, und Buddy wollte nicht darüber sprechen – war der
Vater auch noch am Leben, lebte aber anderswo, mit einer
anderen Familie zusammen. Er war, so hieß das, «auf Ab-
wege geraten».
    Es gab noch eine andere Sünde, auch die machte einen
schwindeln. An die hintere Wand des Schuppens, wo die
Geräte für den Spielplatz von Willow untergestellt wurden,
waren mit roter Kinder-Malkreide zwei Penisse (so hieß das
richtige Wort dafür) hingekritzelt, deren Spitzen sich be-rührten. Gleich daneben hatte eine ältere, kenntnisreichere
Hand mit Bleistift Linien tief in das gelb gestrichene Holz
geritzt, die dem Anschein nach einen fetten Buchstaben
M bildeten, doch bei näherem Hinsehen eine nackte Frau
ergaben, die Beine angezogen und gespreizt, sodass dazwi-
schen ein Spalt von der Form eines Kürbiskerns sichtbar
wurde, mit geringelten Haaren drum herum und darüber,
und darunter einem Punkt, den Owen selbst in der Stille
seines Kopfes nicht benennen konnte, so schändlich war er.
In Abrundung seiner Idee hatte der Künstler zwischen den
Schenkeln zwei Brüste gemalt, mit geschwärzten, steifen
Brustwarzen, und da zwischen wiederum etwas, das Owen
als die Unterseite einer Nase mit ihren zwei Nasenlöchern
identifizierte. Die Frau öffnete sich, um sich (wie die älteren
Jungen sagten) ficken zu lassen: Das war klar. Warum sollte
sie das tun? Das war nicht klar. Doch es war offensichtlich,
dass eine Frau irgendwo erlaubt hatte, so betrachtet und ge-
zeichnet zu werden, dass das Bild hier reproduziert werden
konnte. Sie hatte weder Arme noch einen Kopf, und ihre
Beine endeten ohne Füße: Der Künstler erachtete dies al-
les als unwesentlich. Die wesentlichen Teile der Frau waren
dargestellt, und irgendetwas regte sich in Owens Unterleib
in Anerkennung dieser Wahrheit: Was am wichtigsten war,
wurde gezeigt. Der Spalt, die Haare, der kleine Punkt und
Brustwarzen, die wie stämmige Flugzeugabwehrkanonen
aufrecht in die Luft ragten.
    Doch die Mädchen um ihn herum schienen mit diesen
wichtigen Dingen nichts zu tun zu haben. Sie

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