Landleben
Du warst zu sehr der kleine Junge. Mein Vater
war derjenige, der dich mochte, obwohl ich euch beide nie
mehr als sechs Worte habe wechseln hören. Aber nachdem
er mir Hank ausgetrieben hatte, glaubte er wohl, er schul-
dete mir was.»
Röte war ihr in die Wangen gestiegen, am Hals herauf; ihre Augen, silbrig bei manchem Licht, blitzten in seltener
Empörung. Er verkniff sich ein bewunderndes Schmun-
zeln: Phyllis hatte ein seltenes Talent dafür, Dinge zu
durchschauen, bis auf die blanken Knochen. Arme Faye,
ja, sie hatte ihn aufgefordert, praktisch zu sein, und hatte
ihm die Lektionen erteilt, die sie ihm geben konnte, doch
jetzt lag ihr praktischer Wert für ihn darin, eine Eroberung
zu sein, eine Nadel, die er sich anstecken konnte in der
kleinen Gesellschaft, in der sie verkehrten, wo Sex immer
weniger ein gehütetes Geheimnis war. Ja, sie fehlte ihm
schmerzlich, aber sie Tag um Tag zu haben, das hätte Alltag
und Langeweile mit sich gebracht, und kränkliche Kinder,
die zur Hälfte Jocks Gene hatten, und eine Frau, die zur
Hälfte wie Jock dachte. «Wie hätte ich sie heiraten kön-
nen?», fragte Owen seine Frau in klagendem Ton, begierig,
darüber mit einem unparteiischen Menschen zu diskutie-
ren. «Ich habe vier Kinder, von denen das jüngste gerade
ein Jahr alt ist!»
Phyllis erklärte ihm: «Das hätte manche Männer nicht
abgehalten. Sie hat dich für leichtsinnig gehalten, Owen,
weil du kreativ bist, aber in Wirklichkeit bist du sehr darauf
bedacht, dich selbst zu schützen, ganz Pennsylvania-Dutch,
immer nur einen Schritt zurzeit. Sie wollte dich antreiben,
und du lässt dich nicht gern antreiben.»
Er nahm diese Beobachtungen als Komplimente, oder
doch als kenntnisreiche Aufmerksamkeit, und sagte mit
zufriedenem Schmollen: «Ed sagt, das Problem beim Pro-
grammieren liege darin, dass es zu kreativ gewesen sei.
Jetzt, nachdem die Grundlagen geklärt und diese neuen
Chips die Kapazitäten der Hardware endlos erweitern,
gehe es vor allem darum, es weniger als Kunst und mehr
als eine technische Disziplin zu betreiben.»
«Hast du davor Angst?», fragte Phyllis, ganz Ehefrau.
Trotz der häuslichen Schrecken des Frühjahrs – Skandal,
mögliche Trennung – hatte sie Zeit gefunden, in ihrem
großen Garten, bei dem Seerosenteich mit der wiederher-
gestellten Brücke, in der Sonne zu liegen, und ihre Nasen-
spitze war rosa.
«Nein», sagte er und schlüpfte locker und gelöst wie-
der in die Rolle des Ehemanns, «bei E-O gibt es jüngere
Leute für das Handfeste, das Kodieren und das Beseitigen
von Fehlern – denen ist das wie angeboren, die wissen
gar nicht, dass es eine Zeit vor FORTRAN und COBOL
gab. Meine Aufgabe besteht eher darin zu träumen, ohne
Grenzen zu träumen. Ich habe meine Theorien. Ich glau-
be, Grafik-Programme Öffnen den Weg zu einem riesigen Markt. Wenn man eine Möglichkeit finden könnte, all die-
se Zeilen-Befehle zu umgehen, die man lernen muss, und
schlichte, leicht verständliche Bilder als Schnittstelle zu
benutzen, dann könnte jeder sie benutzen. Dann könnte
man Spiele haben.»
«Brauchen Leute die wirklich», fragte Phyllis mit einem
Blick über die Schulter, während sie aus dem Zimmer ging,
«noch mehr Möglichkeiten, ihre Zeit zu verschwenden?»
Die Dunhams hatten einen Familienanwalt, und eine Wei-
le lang sprach Jock davon, Owen als Grund für eheliche
Entfremdung zu belangen oder zu erreichen, dass die Ma-
ckenzies die Stadt verließen, aber sie nahmen sich ihrer-
seits einen Anwalt, und am Ende schien es das Vernünf-
tigste, dass die Dunhams ihr verwinkeltes Haus mit der
Veranda verkauften und näher nach New York zogen, nach
Norwalk oder Wilton, wo es bessere Schulen für die Kinder
gäbe und wo Jock näher an dem Ort wäre, wo das Geld der Dunhams beim Lunch mit drei Martinis gemanagt wurde
und wo Faye nur fünfzig Minuten von den Geschäften und
Schaufenstern und Shows Manhattans entfernt war. Owen
stellte sich vor, wie sie durch die Stadt streifte, die er fünf
Jahre zuvor verlassen hatte, und wie sie dort glücklich im
Geglitzer versank, und er empfand eine eifersüchtige Er-
leichterung. Er würde sie immer lieben, sie war sein ein-
ziger Ausflug ins Traumland sexuellen Glücks, aber es war
nicht praktisch gewesen, und es hinterließ einen metalli-
schen Geschmack in seinem Mund, ein leichtes Gefühl
der Beklemmung: Er wusste, er war in das Leben anderer
hineingetreten, hatte sie aus der Bahn geworfen und et-
was so Ernsthaftes verursacht
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