Langenscheidt Chef-Deutsch, Deutsch-Chef
Gespräche laufen jeden Tag zu Tausenden in den verschiedenen Bürogebäuden ab. »Wer hat wem was nicht gesagt oder absichtlich vorenthalten, um sich dadurch bei wem einen Vorteil zu verschaffen …?« Wie im Kindergarten. Oder eben in einer Familie mit mehreren Kindern. Und der Papa muss dann schlichten und alles wieder in Ordnung bringen. Womit er den Großteil seiner Zeit auch vollauf beschäftigt ist:
Aber auf der anderen Seite ist es ja auch schön, zu wissen, dass man sich auf seine Eierköppe im Büro verlassen kann. Wenn auch bei manchen nur auf Ihre konsequente Unzuverlässigkeit. Wen hat man denn sonst, wenn man mal ehrlich ist? Egal, ob Chef oder Mitarbeiter:
In den Schoß der Bürofamilie kommt man immer wieder zurück.
Gerade wenn im richtigen Zuhause schoßmäßig grad wieder Essig ist …
Chefsprache
Chef sagt:
Chef meint:
Wir sind hier alle eine große Familie.
Ich bin das Familienoberhaupt und solange Sie Ihre Füße unter meinen Tisch stellen …
Meine Kaffeemaschine ist schon wieder kaputt.
Ich hab bald Geburtstag, da wisst Ihr ja, wofür Ihr sammelt. Und wehe, Ihr kommt wieder mit so einem pseudointellektuellen Hermann-Hesse-Hörbuch an!
Zusätzlich zur Weihnachtsfeier gehen wir dieses Jahr mit der Abteilung richtig nobel essen.
Um die Weihnachtszeit ist der Stress am größten und die Selbstmordrate am höchsten. So etwas will ich in meiner Abteilung nicht haben. Ich geh mit Euch essen, dafür bringt sich niemand von Euch um, o.k.?
Sie sehen ja richtig erholt aus nach Ihrem Urlaub. Wie schön.
Ich habe Sie vermisst. Der andere Kollege braucht viel länger für meine Arbeit als Sie. Da ist ganz schön was liegen geblieben. Viel Spaß!
Ich hab bei Ihnen so ein Stück weit das Gefühl, dass Ihre Fähigkeiten und die Anforderungen, die die Firma an Sie stellt, nicht miteinander konform gehen.
Ich hab die Schnauze voll. Ich lasse mich von Ihnen scheiden!
10. Kapitel
Nie intim im Team
10. Nie intim im Team
Wo wir gerade schon so schön kuschelig über die Bürofamilie gesprochen haben, können wir direkt mit etwas weitermachen, was hier gerne mal zum Problem wird: Inzest.
Also Inzest in dem Sinn, dass innerhalb der Bürofamilie … Sie verstehen das schon richtig. Man kennt das doch: Man arbeitet ewig und drei Tage an demselben Projekt, geht sich auf die Nerven und kabbelt sich dann so ein bisschen … und ehe man sich’s versieht, liegt man nackt auf dem Konferenztisch und sagt so etwas Sinniges wie:
So etwas kann passieren , wenn man mal einen Moment nicht aufpasst. Dafür braucht man keine Weihnachtsfeier mehr heutzutage. In einer Zeit, in der man im Büro sowieso ständig aufeinander hockt, da spielt es ab einem gewissen Punkt auch keine Rolle mehr, ob man dabei noch bekleidet ist.
Das ist ja im Grunde auch kein großer Akt. Also, schon, aber nicht inhaltlich. Theoretisch könnte man da jetzt sagen:
»Ist halt passiert, kann man nix machen. Hosen hoch, Schwamm drüber, weitermachen.«
Theoretisch ist aber nicht praktisch. Besonders nicht im Büro. Da ist jetzt für Sie quasi Holland in Not.
Als Chef müssen Sie immer, ich wiederhole, immer darauf achten, dass Sie Ihren Füller möglichst nicht in Firmentinte tauchen. Das gibt nur Probleme.
Stellen Sie sich vor, Ihnen ist da so ein kleines Missgeschick passiert und Sie haben versehentlich mit einer Mitarbeiterin
»Meilensteine gesetzt«
,
»Kernkompetenzen verteilt«
,
»das persönliche Gespräch gesucht«
– suchen Sie sich etwas aus. Wenn das eine Ihnen überstellte Kollegin war: Glückwunsch, alles richtig gemacht!
Da mittlerweile keine Frau in einer Führungsposition mehr freiwillig als Emanze bezeichnet werden möchte, können Sie sich beruhigt eine Zigarette anzünden und sich zurücklehnen. Solange Sie selbst die Klappe halten, haben Sie hier nichts zu befürchten. Wenn eine Chefin sich mit einem unterstellten Kollegen einlässt, können Sie davon ausgehen, dass sie weiß, was sie da tut.
Und Frauen in Führungspositionen haben mit Sicherheit einen verdammt guten Grund, gerade mit IHNEN so etwas zu machen (und das wissen Sie auch, wenn Sie ehrlich sind). Und vermutlich haben Sie gerade tatsächlich im selig-postkoitalen Zustand vertrauliche Informationen ausgeplappert oder etwas in der Art.
Egal, solange Sie danach still halten, passiert Ihnen nichts.
Wenn Sie mit einer Ihnen unterstellten Mitarbeiterin etwas Vergleichbares gemacht haben, sieht die Sache anders aus. Und, mal im Ernst, es ist in den meisten Fällen
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