Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
dass sie zum ersten Mal ihre wahre Geschichte erfuhren.
»Der Dunkle hat die Kinder aus dem Wasser geborgen und sie verzaubert, damit sie ihm dienen«, setzte Kristina hinzu. »Und er hat Jahrhunderte unter Wasser gewartet, sicher in der magischen Gondel, aber bewacht vom Makaro, bis wieder eine Aquana erwachte. Eine, bei der er sein Werk vollenden konnte.«
Sara lächelte mit geschlossenen Augen. »Ich habe mich immer gewundert, warum mich das Wasser so anzog«, murmelte sie. »Und auf den Schiffen haben sich meine Kollegen immer darüber lustig gemacht, dass die Wale mir zu folgen schienen und immer dort auftauchten, wo ich gerade war.« Sie wandte sich an Fedele und diesmal lächelte sie ihn ganz offen an. »Und du wolltest mich tatsächlich mit einem alten Degen vor dem Dogen retten!«
Fedele lachte. »Und du, Sara Aquana, schuldest mir immer noch einen Tanz!«
Mit jedem Atemzug wurde Saras Haar dunkler und Farbe kehrte in ihre Wangen zurück. Als wäre die ganze Schönheit um sie herum nur für einen Atemzug aufgeblüht, welkten derweil die Rosen und verloren ihre Blätter, der Baum verdorrte, Palmwedel fielen als gelbliche Fächer zu Boden, wo sie zu Staub zerfielen. Der übrige Zaubertrank im Kelch verwandelte sich in Asche – und die Laqua-Perlen in eine Geschichte, die sich die Glasmacher künftiger Generationen erzählen würden, bis sie sich in ein Märchen verwandelte.
Eine Brise verwirbelte den letzten Rest von Magie. Violettas geheimer Garten war Vergangenheit. Aber Sara richtete sich auf. Sie streckte die Arme nach Jan aus und zog ihn an sich.
»Wenn du mich nicht vom Boot gestoßen hättest, dann hätte der Doge mich getötet«, flüsterte sie in sein Haar. Jan wurde erst so rot, dass er im Mondlicht fast dunkelgrau wirkte, dann begann er zu strahlen. Und Kristina war nie stolzer auf ihren mutigen, jähzornigen Bruder gewesen.
Erst jetzt jubelten alle los. Kristina fiel erst Luca um den Hals, dann umarmte sie Nonna und die Pezzis. Jan drückte sie besonders fest. »Und? Glaubst du immer noch, es sollte dich nicht geben?« Jan lachte nur und boxte ihr liebevoll in die Rippen.
»Wir sind die Könige des Karnevals!«, brüllte er dann. »Herren der heimlichen Wege und Gefährten der Geister!«
Bei den Nachbarn gingen die Lichter an, eine Frau im Bademantel trat auf den Balkon. »Ruhe da unten, ihr Verrückten!«, keifte sie. »Oder ich geb dir gleich ein paar Geister mit auf den Weg, Vianello. Für heute Nacht ist der Karneval vorbei!«
Epilog
ES PASSIERTE WOHL ZUM ERSTEN MAL seit Jahrhunderten, dass die Vianellos aus der Ahnenlinie der altehrwürdigen Dogenfamilie Dandolo mit einer Familie namens Pezzi ausgelassen feierten. Es war ein wirklicher Festtag und der Anlass war nicht nur Saras Genesung: Denn Marco Pezzi hatte eine neue Arbeit gefunden, in der Stadtbücherei bei seinen geliebten Büchern. Und Fedeles Onkel hatte ihnen bereits eine neue, schöne Wohnung vermietet.
»Auf die Zukunft«, sagte Nonna und hob feierlich ihr Glas.
»Auf die Freundschaft!«, setzte Kristina hinzu. »Und keine Geheimnisse mehr.«
Luca grinste und nickte. Donno saß auf dem Fensterbrett und betrachtete die feiernde Gemeinschaft, dann winkte er Kristina zu und verschwand nach draußen. Es tat gut zu wissen, dass sie die Donnole wiedersehen würde – jedes Weihnachten und die ganzen Sommerferien lang. Und vielleicht, wer wusste das schon, würde Papa sich für die Idee erwärmen, zusammen mit Sara und Nonna das Familienhotel zu führen.
Kristina sah sich um und es wurde ihr warm ums Herz. Fedele hatte den Arm um Sara gelegt, Nonna lachte mit Frau Pezzi, als seien sie schon seit Ewigkeiten befreundet. Pippa blödelte mit Jan herum und Marco Pezzi trug eine nagelneue Brille und strahlte. Natürlich fehlte ihr Vater hier. Und am allermeisten fehlte Mama. Aber, das wusste sie nun, sie hatte trotzdem so etwas wie eine Familie. Eine, deren Wurzeln bis weit in die Vergangenheit reichten.
Cesare schenkte die nächste Runde für die Erwachsenen ein – den Ombre. Rotwein, der noch heute »Schatten« genannt wurde, weil die Weinhändler früherer Zeiten ihre Ware im Schatten des Campanile auf dem Markusplatz verkauft hatten. Hier in Venedig verwoben sich Jahrhunderte, Gegenwart und Vergangenheit. Kristina stand auf und stahl sich leise hinaus. Sie ging die Treppe hinunter zum Haupteingang des Hotels, durch die Glastür, von der das Silberwappen entfernt worden war, zum Kanal.
Ein kleiner Junge in altertümlicher
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