Lass dich lieben - Lucy
hatte die Schultern gestrafft und hielt sich kerzengerade. James blieb im Flur stehen, bis sie die Tür geschlossen hatte und ihn zu Lucy führte. Sie marschierte ihm voraus, offenbar fest entschlossen, den Kampfplatz zu erobern.
James folgte ihr, nicht gewillt, sich von ihrer Feindseligkeit einschüchtern zu lassen. Irgendetwas stimmte hier nicht, und er hatte vor, Lucy davor zu retten. Keine Mutter hatte das Recht, das Leben ihrer Tochter zu dominieren oder zu erschweren. Bei ihm fühlte Lucy sich frei, und das war gut so.
Sie kamen in die Küche. Lucy saß zusammengesunken am Tisch, den Kopf in die Hände gestützt, ein Bild tiefster Ver- zweiflung. Was immer hier vorgefallen sein mochte, es hatte jetzt ein Ende!
»Lucy?« rief er.
Sie blickte auf. Fassungslosigkeit spiegelte sich in ihren Augen. »James?« wisperte sie ungläubig.
»Ich dachte, du würdest vielleicht Hilfe brauchen, und deshalb bin ich hier.«
»Hilfe?« wiederholte sie ratlos.
»Nun, zu diesem Punkt kommen wir gleich«, verkündete Ruth Worthington in einem so herablassenden Tonfall, dass James’ Blutdruck in die Höhe schoss. »Sag es ihm, Lucy. Entweder du sagst es ihm, oder ich tue es.« Es war eine unverhohlene Drohung.
Bittend wandte Lucy sich an ihre Mutter. »Mum, es ist… es ist meine Entscheidung«, flehte sie.
Angesichts des Kummers, den ihre Mutter ihr bereitete, schäumte James vor Wut. »Du musst ihre Befehle nicht befolgen, Lucy«, warf er ein.
Ruth Worthington ignorierte ihn und konzentrierte sich ganz auf Lucy. »Ich will nicht, dass du so wie ich in einem Wolkenkuckucksheim lebst«, erklärte sie erstaunlich sanft. »Du musst es ihm sagen, Lucy. Erst dann wirst du es wissen.«
Trotz seiner Verwirrung über die unerwartete Wendung musste James ihr insgeheim zustimmen. »Ich finde, es ist eine gute Idee. Dann werde ich es auch wissen. Je eher, desto besser.«
Wolkenkuckucksheim…
Die Worte drangen wie durch einen dichten Nebel an Lucys Ohr und siegten über die Versuchung, James noch länger zu täuschen. Sie drangen in ihren Verstand und verdrängten das Verlangen der vergangenen vier Wochen. Vier Wochen – ein Monat –, aber zuvor hatten sie acht Monate lang zusammenge- arbeitet. James hatte genug Zeit gehabt, um sich über seine Gefühle für sie klar zu werden und zu entscheiden, ob sie ihm wichtig war.
Sie riss sich zusammen und stand auf. Das stolze Aufblitzen in den Augen ihrer Mutter gab ihr den Mut, James mit der Wahrheit zu konfrontieren. Sie straffte die Schultern und wusste, dass sie nicht allein war, egal, was passierte. Ihre Mutter würde ihr beistehen.
James wartete geduldig. Er trug Freizeitkleidung – ein rotes Sporthemd, eine cremefarbene Hose –, und seine erotische Ausstrahlung schien die Spannung im Raum noch weiter zu steigern. Ein Krieger, der in die Schlacht zieht, dachte Lucy, groß, unbeugsam und entschlossen zu siegen.
Auf einmal fühlte sie sich sehr klein, sehr verletzlich und von der Angst gequält zu verlieren. In ihrer Verzweiflung klammerte sie sich an seine Bemerkung von vorhin – dass er hier sei, um ihr zu helfen. Bitte lass es wahr sein, flehte sie im Stillen, obwohl sie weder wusste, was James gemeint noch was ihn hergetrie- ben hatte. Sie wusste nur, dass sie es sagen musste, also zwang sie sich, die schicksalhaften Worte auszusprechen.
»Ich bin schwanger.«
»Schwanger?« wiederholte er benommen. Unglauben und Verwirrung spiegelten sich auf seinem Gesicht. »Aber du sagtest doch…« Er schüttelte den Kopf.
»Nein, James. Du hast angenommen, ich hätte meine Periode, und ich…« Ihre Wangen glühten vor Scham. Sie schluckte trocken. »Ich ließ dich in dem Glauben, weil…«
»Wie kannst du schwanger sein?« unterbrach er sie. »Du sagtest, du seiest geschützt.«
Geschützt und sicher… Würden diese Begriffe sie auf ewig verfolgen?
Lucys Geduld war erschöpft. »Ich schwöre dir, ich habe nie auch nur eine Pille vergessen. Jeden Morgen habe ich sie genommen, es ist also nicht meine Schuld. Du… Ich… Wir…« Sie hatte den Faden verloren.
»Du machst mich dafür verantwortlich?« fragte er verblüfft.
»Dabei will ich meine Verantwortung gar nicht leugnen.« Stirnrunzelnd sah er sie an. »Warst du deshalb am Freitag so durcheinander?«
»Ich wusste doch nicht, wie du es aufnehmen würdest«, gestand sie reumütig.
»Lucy…« Das Stirnrunzeln verschwand, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. »Du ärgerst dich doch
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