Lass dich lieben - Lucy
als ihre Mutter vorwurfsvoll schwieg. Das Urteil war bereits gefallen und würde gleich auf Lucy niederprasseln. Hoffentlich schafften sie es später wieder, Frieden zu schließen, damit das Geburtstagswochenende nicht zu einer völligen Katastrophe wurde.
»Du hast seit der Grundschule immer eine Brille getragen«, stellte ihre Mutter kopfschüttelnd fest. »Ohne siehst du recht hübsch aus, Lucy.«
Das Kompliment war so unerwartet – und nett –, dass Lucy unwillkürlich lächeln musste. »Ich habe endlich beschlossen, mir Kontaktlinsen zu besorgen.«
»Es verändert dein Gesicht grundlegend. Und das rote Kleid… Ich hätte dir nie etwas Rotes angezogen… Aber Rot steht dir. Besonders wenn dir das Haar offen über die Schultern fällt.«
Lucy traute ihren Ohren kaum. Lob und keine Kritik… Das war fast so unglaublich wie der Gewinn des Wagens. »Warum legst du nicht den Schlauch beiseite, damit ich dich umarmen kann?«
Ihre Mutter lachte. »Du hast mir jedenfalls eine große Geburtstagsüberraschung bereitet.«
Der Schlauch konnte natürlich nicht einfach weggelegt werden. Der Wasserhahn musste zugedreht werden. Langjährige Gewohnheiten ließen sich nicht so leicht abstreifen, aber ihre Mutter beeilte sich und breitete die Arme aus, als Lucy ihr entgegeneilte.
»Es ist so schön, dich wieder zu sehen, Liebes«, flüsterte sie.
»Es tut mir Leid, dass ich gestern Abend am Telefon so aufgeregt war, aber ich habe deine Anrufe vermisst, und als ich dich nicht erreichen konnte, hatte ich die schreckliche Vorahnung, ich würde dich verlieren.«
»Du wirst immer meine Mum bleiben«, versicherte Lucy reumütig. »Ich hatte in letzter Zeit nur sehr viel zu tun.«
»Das sehe ich.« Ruth nickte weise. »Und nun lass uns einmal deinen Preis bewundern. Wie fährt es sich denn in… Orlando?« Es fiel ihr sichtlich schwer, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ein Auto einen Namen haben konnte.
»Wundervoll. Steig ein, Mum, und wir fahren eine Runde um den Block«, schlug Lucy spontan vor. »So kannst du dir am besten einen Eindruck verschaffen.«
Ruth zögerte. »Das Haus ist nicht verschlossen.«
»Wir sind doch nur ein paar Minuten fort.«
»Aber…«
»Riskier es«, riet Lucy tollkühn.
Zu ihrer grenzenlosen Überraschung willigte die stets übervorsichtige Ruth Worthington tatsächlich ein und machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem.
Es war nur ein kurzer Ausflug, aber ihre Mutter schien ihn zu genießen. Sie lächelte Lucy an, während der Wind ihr das Haar zerzauste.
Als sie wieder vor dem Haus hielten, stieg sie aus und meinte versonnen: »Es vermittelt einem das Gefühl von Freiheit.«
Lucy war verwundert und entzückt zugleich über die ehrliche Reaktion. »Und Orlando bringt ein bisschen Schwung in mein Leben.«
»Hoffentlich nicht zu viel Schwung. Rasen ist unvernünftig.«
»Ich passe auf. Außerdem hat der Wagen einen Tempomat, der verhindert, dass ich die Höchstgeschwindigkeit überschreite.«
»Gut.« Ruth wartete, bis Lucy ihr Gepäck aus dem Kofferraum geholt hatte. Erst als sie gemeinsam ins Haus gingen, fragte sie hoheitsvoll: »Wer ist der Mann?«
»Welcher Mann?«
»Ich mag zwar morgen ein Jahr älter werden, aber noch bin ich nicht senil. Alles deutet auf einen neuen Mann in deinem Leben hin. Ich freue mich für dich. Immerhin bist du schon achtundzwanzig.«
»Hm…«
»Du kannst mir alles von ihm erzählen, nachdem du deine Sachen nach oben gebracht hast«, forderte ihre Mutter mit einem nachsichtigen Lächeln.
Alles werde ich dir ganz bestimmt nicht erzählen, dachte Lucy. Ihre Mutter verdiente es nicht, dass ihr Geburtstag ruiniert wurde. Sie hatte so nett von dem Wagen gesprochen und schien sogar zu verstehen, warum Lucy ihn behalten hatte, statt ihn zu verkaufen. Allerdings kannte sie nicht die Hintergründe Auslöser war schließlich der Wunsch gewesen, James mit einem neuen, aufregenden Äußeren zu beeindrucken. Lucy war nicht sicher, wie viel sie davon verraten konnte, ohne auf Missbilligung zu stoßen.
Während sie ihre Sachen auspackte und einräumte, überlegte sie, wie viel Wahrheit akzeptabel sein mochte. Erneut packten sie Gewissensbisse, weil sie James getäuscht hatte. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie ihre Mutter keinesfalls hinters Licht führen wollte. Sie würde die Schwangerschaft noch eine Weile für sich behalten, aber nicht verschweigen, dass James ihr Boss war und ihr die Beziehung sehr viel bedeutete.
Sie wollte, dass ihre Mutter
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