Lass dich lieben - Lucy
nachhängen. Wie hatte sie James nur in dem Glauben belassen können, sie hätte ihre Periode.
Ihre Periode! Ein makabrer Scherz. Die Wahrheit hatte ihr schon auf der Zunge gelegen. Den ganzen Tag hatte sie überlegt, ob sie die Schwangerschaft gestehen oder lieber verbergen sollte. Letztlich hatte die Verlockung, James einen weiteren Monat als Liebhaber zu haben, über das Gewissen gesiegt. Sie, wollte einfach keine negative Reaktion riskieren. Noch nicht.
Er würde niemals die Wahrheit erraten, nicht solange er dachte, ihr monatlicher Zyklus würde normal verlaufen. Bis Montag hatten sich die Skrupel wegen des Täuschungsmanö- vers hoffentlich gelegt. James würde annehmen, die Periode sei vorbei, und mit ein bisschen Glück würde alles so weitergehen wie bisher – falls sie es schaffte, den Gedanken an das Baby zu verdrängen. In ihrem gegenwärtigen seelischen Zustand schrieb sich dieses »falls« in Großbuchstaben!
Wenigstens hatte er sie nicht allzu eindringlich über das Wochenende mit ihrer Mutter ausgefragt. Es war wirklich nett von ihm gewesen, sie früher gehen zu lassen. Nett und fürsorglich. Als würde er sich tatsächlich etwas aus ihr machen. Dies und seine Äußerung vom Vormittag, dass er ihre Gesellschaft genießen würde, ob mit oder ohne Sex… Viel- leicht konnte sie ihm ja die Wahrheit sagen, ohne alles zu ruinieren.
Hin und her gerissen von ihren Gefühlen, ließ sie Sydney hinter sich. Ohne es zu merken, passierte sie die Hawkesbury und die Mooney Mooney Bridge. Erst als sie den Vorwegweiser nach Gosford erblickte, schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Nicht mehr lange, und sie würde ihrer Mutter gegenübertreten müssen. Am besten bereitete sie sich innerlich schon jetzt auf die Kritik vor, die sie unweigerlich erwartete.
»Mit welchem Zug kommst du?« hatte ihre Mutter gefragt.
»Du musst nicht zum Bahnhof, Mum. Ich komme mit dem Auto«, hatte sie geantwortet und mit einem längeren Vortrag über die Vorstellungen ihrer Mutter bezüglich eines vernünftigen Wagens gerechnet.
»Nun, falls Josh dich in seinem schrecklichen alten Sportwa- gen mitnimmt, sag ihm, er soll dich sicher hier abliefern – und nicht wie ein Rowdy den Motor in meiner Auffahrt heulen lassen.«
»Josh ist kein Rowdy, Mum. Und er fährt immer ganz sicher.« Sicher, sicher, sicher… Lucy machte sich im Stillen über sich
selbst lustig, als sie nach Gosford abbog. Sie hatte alle Sicherheitsregeln über Bord geworfen und musste sich nun den Konsequenzen stellen. Und genau davor hatte ihre Mutter sie gewarnt.
Ihre Zuversicht schwand dahin, als sie ihre Mutter im Garten beim Sprengen entdeckte. Lucys Anblick am Steuer des roten Alpha verschlug ihr sekundenlang die Sprache. Lucy stellte den Motor ab und wartete geduldig auf das Donnerwetter.
»Was, um alles in der Welt, tust du in diesem Wagen, und warum fährst du ihn?« rief ihre Mutter schließlich empört.
Lucy atmete tief durch, bevor sie ausstieg, die Tür schloss und die Hand voller Besitzerstolz auf den Kotflügel legte. »Ich fahre ihn, weil er mir gehört. Ich habe ihn bei einer Tombola gewonnen.« Sie lächelte strahlend. »Überraschung!«
Ruth Worthington schienen fast die Augen aus dem Kopf zu fallen. Sie blickte erst Lucy an, dann den Wagen und letztlich wieder Lucy, die in all der Aufregung völlig vergessen hatte, dass sie ihr Outfit grundlegend verändert hatte. »Eine Tombola«, wiederholte Ruth matt.
»Ist das nicht toll? Es ist ein Alpha Spider, ein italienischer Sportwagen. Ich habe ihn Orlando getauft«, berichtete Lucy betont munter. »Mum, ich habe noch nie in meinem Leben irgendetwas gewonnen, und nun das…« Sie breitete die Arme aus. »Es ist so unglaublich, dass ich mich noch immer nicht daran gewöhnt habe.«
Und ihre Mutter würde noch länger brauchen, um sich daran zu gewöhnen. Falls überhaupt. Sonderbarerweise interessierte Lucy das nicht. Josh hatte Recht: Es war ihr Leben.
Ruth Worthington wurde am nächsten Tag zwar erst siebenundvierzig, aber irgendwie wirkte sie alterslos. Sie bevorzugte unscheinbare Kleidung und ließ sich das grau melierte Haar zu einer praktisch-kurzen Frisur schneiden, die man nur einmal durchzukämmen brauchte. Sie trug sogar Grau: flache graue Schuhe, grauer Rock sowie eine grau-weiß gestreifte Bluse. Wenn sie unbedingt auch ein graues Leben führen wollte, so war das ihre Sache. Für Lucy kam es nicht infrage, egal, wie die Beziehung mit James sich entwickelte.
Trotzig hob sie das Kinn,
Weitere Kostenlose Bücher