Lass dich lieben, Prinzessin
1. KAPITEL
Die Frau auf der Parkbank war einsam und schutzlos. Zumindest empfand Shay O'Malley es so, als er sie entdeckte. Sie trug zwar teure marineb laue Seide und schicke hochhackige Pumps, aber ihr Blick war seltsam leer und ohne jedes Interesse für das, was um sie herum geschah.
Sie muss blutjung sein, dachte Shay besorgt. Oder kam es ihm nur so vor, weil er sie mit den Augen des Kriminalbeamten betrachtete? Auf den zweiten Blick fand er sie nicht mehr ganz so jung, zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre schätzte er sie. Auf jeden Fall war sie zu schön und wirkte zu unschuldig, um im Trubel des Mardi Gras hier allein im Park zu sitzen.
Für ihn stand sofort fest, dass er nicht einfach weitergehen konnte. Erst musste er wissen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Sein Beschützerinstinkt zeigte sich immer zu den unmöglichsten Gelegenheiten. "Miss? Sie sehen aus, als ob Sie ein Problem hätten. Kann ich Ihnen helfen?"
Die junge Frau sah ihn erstaunt mit ihren großen meerblauen Augen an.
Verglichen mit den ordinären Gestalten der Prostituierten, die sich am Parkrand unter den Laternen zur Schau stellten, wirkte sie arglos wie ein Kind.
"Sie sind noch ein bisschen jung für die Art von Leute, die sich hier herumtreiben, finden Sie nicht auch?" Egal, wie alt sie war, Shay wusste aus Erfahrung, dass jemand, der einen so unschuldigen Eindruck machte wie sie, zwielichtige Gestalten anzog.
Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß, sagte jedoch immer noch kein Wort.
Shay runzelte die Stim. "Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Wie heißen Sie eigentlich?"
Jetzt fuhr sie sich mit der Zungenspitze über ihre volle Oberlippe. Shay fand den Anblick so sexy, dass sein Herz höher schlug und sein Atem sich beschleunigte. "Ich habe Sie nach Ihrem Namen gefragt." Es klang barscher, als er beabsichtigt hatte.
"Ich ..." Ihre Unterlippe zitterte leicht. "Ich kann nicht ..." Dabei schaute sie ihn unverwandt an.
Er legte den Kopf schräg. "Sie können mir Ihren Namen nicht sagen?"
"Ich ..." Sie sah ihn immer noch an, während sie zaghaft die Schultern zuckte.
"Ich kann mich einfach nicht erinnern."
"Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht mehr wissen, wie Sie heißen?"
Sie zögerte einen Moment, bevor sie nickte.
"So, so, Sie haben also Ihr Gedächtnis verloren." Es sollte nicht zynisch klingen. Aber auf der anderen Seite fiel es Shay nicht leicht, ihr zu glauben.
Dafür hatte er zu viele schlechte Erfahrungen in seinem Beruf gemacht.
Sie schwieg einen Moment lang. "Genau das wollte ich sagen", erklärte sie dann.
Er versuchte es auf andere Weise. "Was machen Sie denn ganz allein hier draußen? Ist niemand bei Ihnen, Freunde, Eltern?"
Sie warf den Kopf in den Nacken. "Ich bin doch kein Kind."
Shays Blick glitt über ihre Figur. Natürlich war sie kein Kind mehr. Dennoch fühlte er sich von ihr geradezu herausgefordert, die Rolle des Beschützers zu übernehmen.
"Ich bin ganz allein hier", fuhr sie fort.
"Okay, okay, Sie sind erwachsen. Aber könnte nicht jemand auf Sie warten, Ihr Freund vielleicht? Hatten Sie Streit?" Shay sah sich um. "Es könnte später hier gefährlich für Sie werden. Wenn Sie mein Mädchen wären, ließe ich Sie hier nicht allein."
"Ihr Mädchen?"
Als er nickte, trat ein verhaltenes Lächeln auf ihre Lippen. "Suchen Sie ein Mädchen?"
Ihre Worte schockierten ihn, denn er hätte seine Dienstmarke darauf verwettet, dass sie keine Prostituierte war. "Soll das ein Angebot sein?"
"Das kommt darauf an." Ihre Augen hatten einen seltsamen Glanz bekommen.
Shay musterte sie ungeniert. "Auf was kommt es an?"
"Ob Sie den Beschützer spielen möchten."
"Brauchen Sie einen?"
"Jede Frau braucht einen."
Er blieb skeptisch. "Heutzutage hat sich das geändert, denke ich. Die meisten Frauen wollen keinen starken Mann mehr, der sie beschützt. Sie verlassen sich lieber auf sich selbst."
"Ich bin aber nicht wie die meisten Frauen."
"Das scheint mir auch so." Die Worte waren ihm herausgerutscht, und es war ihm peinlich, dass sie sich offensichtlich darüber amüsierte. "Ich wollte nur sagen, dass die meisten Frauen an so einem Abend hier nicht allein sitzen würden, es sei denn, sie wollten nicht allein bleiben." Wie auf ein Stichwort tauchte eine Gruppe von Kostümierten in grellbuntem Satin mit glitzerndem Kopfputz auf. Ihr Gelächter übertönte den Karnevalslärm in den umliegenden Straßen.
Die junge Frau stützte ihre Hände auf der Bank ab. "Ich bin nur hierher gekommen, weil ich nicht länger
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