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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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Sexmigration aufbauen. Wer die weltweite Harmonisierung von Sozialstandards anstrebt, sollte die immerhin global erwirtschafteten Profite auch global umverteilen.
    Auch auf nationaler Ebene kann die Rechtsgleichheit nur ein Zwischenziel sein. Erinnern wir uns: Eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung und den Aufschwung der neuen Sexarbeit in Berlin war die Abwesenheit eines Sperrbezirks. Nach der Abschaffung der Sittenwidrigkeit sollten auch die Sperrbezirksverordnungen kritisch ins Visier genommen werden, damit Sexarbeit und Rotlichtmilieu noch weiter auseinanderdriften können. »Ohne offizielle und inoffizielle Toleranzzonen ist es für die organisierte Kriminalität extrem schwierig, die Prostitution zu kontrollieren«, so der international renommierte Prostitutionsforscher Vern Bullough über diese seit langem bekannten strukturellen Zusammenhänge.233
    Bis die Utopie einer von Armut, Drogensucht und anderen sozialen Mißständen befreiten Welt umgesetzt ist, wird sich die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen ihr Angebot selbst schaffen. Um die grausamsten Auswirkungen der Marktlogik zu verhindern, reicht es nicht aus, einen legalen Rahmen zu schaffen. Mindestens ebenso essentiell wäre es, den konservativ konnotierten Begriff der Menschenwürde durch ein umfassendes Bewußtsein für sexuelle Rechte zu ersetzen. Sexuelle Rechte erschöpfen sich nicht in Gewaltfreiheit, körperlicher Unversehrtheit oder dem Schutz vor Diskriminierung. Sie beinhalten auch das Recht auf sexuelle Freiheit, Autonomie, freie Partnerwahl und sexuelles Vergnügen. Die Weltgesundheitsbehörde, die die »Deklaration sexueller Rechte« von der World Association for Sexology (WAS) übernommen hat, versteht sexuelle Rechte als universelle Menschenrechte und als Aufforderung zu tolerantem und verantwortlichem Sexualverhalten. Nach diesem Verständnis ist nicht nur die Zwangsprostitution eine Menschenrechtsverletzung, sondern auch das schwedische Sexkaufverbot, das gegen die Selbstbestimmung erwachsener und freiwillig agierender Sexarbeiterinnen und ihrer Kunden verstößt.234
    Wer ein Bewußtsein für sexuelle Rechte verinnerlicht hat, versteht die Vielfalt sexueller Beziehungen nicht als Attacke gegen den selbstgewählten eigenen Lebensstil, sondern als Bereicherung. Dazu gehört auch die Erkenntnis, daß Sexualität ihre Bedeutung und ihren Wert nicht zwangsläufig aus einer monogamen Partnerschaft ableitet.
    Sexualität kann ein valider Teil von Beziehungen sein, die primär dem Lustgewinn, dem Lebensunterhalt, dem Spiel und/oder dem Experiment dienen. Die sexuelle Gleichheit in der Verschiedenheit ist ein konstantes Anliegen der Zivilgesellschaft. Manches spricht dafür, daß auch die Sexarbeit langfristig von der Etikette sexueller Toleranz profitieren wird, die vor allem die Schwulenbewegung auf den Weg gebracht hat. Immerhin ist auch die Pornographie im Begriff, salonfähig zu werden. In den USA formiert sich seit Mitte der neunziger Jahre die Bewegung der Polyamonsten, die sich für einen offenen und verantwortungsvollen Umgang mit Mehrfachbeziehungen einsetzen. Und sämtliche liberale Diskurse über Sexualität verbinden eine Etikette des Respekts und der Verantwortung mit einem gleichberechtigten Nebeneinander sexueller Lebensformen.
    Die Möglichkeiten und Grenzen der Geschlechter neu auszuloten beinhaltet immer ein Moment der Utopie. Doch um die Sexarbeit wertzuschätzen, ist es nicht nötig, eine postkapitalistische, postpatnarchale Idylle abzuwarten, in der Sex und Macht anders oder gar nicht mehr miteinander verknüpft sind. Schon jetzt können wir die Verdienste der Sexarbeit anerkennen: ihre Kompetenzen, ihre Diskretion, ihre Menschlichkeit. In ihrer Rolle als Safer-Sex-Aktivistinnen leisten viele Prostituierte einen höchst effektiven Beitrag für die öffentliche Gesundheit und ein verantwortungsbewußtes Sexualverhalten, der oft übersehen wird. Ignoriert, geradezu totgeschwiegen werden auch die therapeutischen Effekte ihrer Arbeit, die einen Beitrag zur sexuellen Gesundheit unserer Gesellschaft leisten. Ebenso wie Schwule gehören Prostituierte zur sexuellen Avantgarde. Zusammen mit promisken Schwulen stand die Prostitution Pate für eine Tendenz zu sexuellen Lebensstilen, die die Sexualität aus der Umklammerung staatstragender ehelicher Pflichten oder einem Überbau an romantischer Liebe herauslösen. Anthony Giddens' Konzept einer »reinen Beziehung«, so wie sie schwule Paare häufig praktizieren,

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