Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
sei nicht enttäuscht.
9. Wenn eine Konfliktsituation entsteht, bleibe vernünftig, und belasse die Dinge so, wie sie sind. Verlange auf keinen Fall dein Geld zurück. Wenn du meinst, du hast Grund, unzufrieden zu sein, dann sprich - falls möglich - mit dem Management.
10. Verhalte dich im Umfeld so diskret wie möglich. Die Nachbarn schätzen ihre Nachtruhe und interessieren sich nicht für deine sexuellen Erfahrungen.230
Klischee Nr. 71:
Es ist alles erreicht.
Die Prostitution ist nicht nur ein uraltes, sondern auch ein weltweites Phänomen. Glaubt man Anthropologen, so behaupten nur 4% aller Gesellschaften dieses Planeten, keine Prostitution zu kennen (was noch nicht bedeutet, daß sie dort nicht existiert).231 Wie sie moralisch bewertet wird, hängt weitgehend vom je weiligen Sexverständnis und den philosophischen Grundpositionen ab. Teilen wir den Idealismus der schwedischen Sozialdemokratie, ihren Glauben an den Menschen als Produkt seiner Verhältnisse, dann erscheint die Prostitution als eine Kulturerscheinung, die sich durch gesetzgeberisches Schalten und Walten beliebig regulieren oder abschaffen läßt. Folgen wir der Evolutionsbiologie, dann sehen wir in ihr eine von vielen Überlebens-strategien egoistischer Gene. Aus der Sicht der Spaßgesellschaft ist das Konsumie ren von unverbindlichem Sex so unproblematisch wie ein Besuch bei McDonalds: Erlaubt ist, was gefällt. Aus feministischer Perspektive ist und bleibt die Prostitution ein Akt männlicher Anmaßung und Gewalt. Auch die Art der Fragen gibt die Richtung der Antworten vor. Fragen wir, warum Frauen der Prostitution nachgehen, so verorten wir die Institution in ihre (beschädigten) Psychen. Richtet sich das Interesse auf die am Tauschgeschäft beteiligten Individuen, so erblicken viele eine isolierte Zwei-Parteien-Transaktion, meist am sozialen Rand der Gesellschaft.
Ein systemischer Blick fragt nach der Gesellschaft, die sie trotz aller gegenteiligen Beteuerungen stets geduldet und gefördert hat.
Wo die ethische Selbstprüfung an ihre Grenzen stößt, ist der Staat gefragt, doch der wirkt angesichts der heiklen und komplexen Thematik oft überfordert. Als im Frühjahr 2000 bekannt wurde, daß viele der etwa 1000 in Tetovo/ Mazedonien stationierten deutschen KFOR-Soldaten Bordelle besuchten, in denen versklavte Frauen und Mädchen arbeiteten, hüllte sich das deutsche Verteidigungs-ministerium in Schweigen, um die Problematik wenig später herunterzuspielen und von Einzelfällen zu sprechen. »Das Tabu Sexualität und Auslandseinsätze muß endlich gebrochen werden«, kommentierte Angelika Beer, die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, damals den Skandal. »Gerade auch wenn es um Bundeswehrsoldaten geht, muß klar sein, daß der sexuelle Mißbrauch von Minderjährigen oder Zwangsprostitution nicht akzeptiert werden kann.«232 Doch welche Alternative hatten die deutschen Soldaten, wenn das Angebot vor Ort faktisch ausnahmslos aus Sexsklavinnen bestand? Als Angelika Beer vorschlug, den Soldaten Huren mit auf den Weg zu geben, um so wehrlose Frauen zu schützen, stieß sie bei Politikern aller Couleur auf Unverständnis.
Für die Art oder Häufigkeit sexueller Kontakte seitens seiner Bürger ist der Staat nicht verantwortlich, wohl aber für die Unversehrtheit und das Wohlergehen von Sexarbeiterinnen. Zwangsprostitution kann er nicht verhindern, wohl aber regulierend eingreifen. Damit zumindest im Inland die Schwächsten nicht auf der Strecke bleiben, müßten ausländer-und arbeitsrechtliche Lösungen gefunden werden: Green Cards und Arbeitsstandards für ausländische Prostituierte wären eine Alternative zu ineffektiven Razzien, zum Katz-und-Maus-Spiel an den Grenzen und feudalistischen Abhängigkeiten zwischen Betreibern und Sexarbeiterinnen. Eine juristische und bewußtseinsmäßige Entkoppelung von Zwangsprostitution und Frauenhandel ist ebenfalls überfällig, denn schon lange scheitern die Grenzen des Strafrechts an den Realitäten der Sexarbeit: Einige Illegale, die bei Razzien aufgegriffen werden, sind froh, aus der Prostitution aussteigen zu können, während andere parallel zum Ermittlungsverfahren anschaffen gehen. Anstatt Menschenhändler zu verteufeln, könnten die abgeschöpften Gewinne wie in Italien direkt an die Opfer weitergeleitet oder gezielt investiert werden: in eine Umstrukturierung des käuflichen Sex, in Rückkehrerinnenprogramme und lokale NGO-Initiativen, die vor Ort Alternativen zur
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