Lass uns unvernünftig sein: Roman (German Edition)
ihre Aussichten auf Erfolg doch eher gering.
Ihre Worte schienen seinen Widerstand zu verstärken. »Musst du sie so nennen?«
»Wie?« Anabel sah ihn kurz an und widmete sich dann wieder ihrer Pizza. Er war noch genauso selbstherrlich und genauso kontrolliert, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Gil Watson ließ niemals seine Wut heraus, machte in der Öffentlichkeit keine Fehler, war niemals unentschlossen oder unsicher.
»Monster.« Er spuckte das Wort beinahe aus. »Es ist verletzend.«
Von dem Tag an, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte Gil sie sein Missfallen spüren lassen. Oh, er war nicht gemein genug, um irgendetwas Konkretes gegen sie zu äußern, und er war nie hart. Aber die Art, wie er sie ansah, und dass er sich in ihrer Gegenwart stets steif und förmlich verhielt, sagte alles.
Er hielt nichts von ihrem lockeren Lebensstil. Er missbilligte ihre Entscheidungen – Entscheidungen, über die er im Grunde nichts wusste.
Er urteilte über sie und befand sie für unzulänglich – und dennoch wollte er sie. So viel wusste sie, ob er es nun zugab oder nicht. Und sie wollte ihn auch, also hatte sie kein Problem damit. Selbst angesichts seiner Verachtung hatte sie ihn immer gemocht. Sehr sogar. Zwangsläufig hatte er nie alles erfahren: weder über sie noch über die Gründe für ihre Entscheidungen. Würde er anders denken, wenn er die Hintergründe kannte? Sie hoffte es.
Sicher war, dass er Nicki ein guter Vater sein würde. Und wenn sich alles so entwickelte, wie sie es sich erträumte, würde er auch einen ganz passablen Ehemann abgeben, und sie wären eine Familie. Die Familie, die Nicole verdiente. Gil würde sie möglicherweise niemals lieben, doch das war im Augenblick nicht wichtig. Er würde für seine Tochter sorgen. Und er würde sie beschützen und Nicki alles geben, was sie brauchte.
Er verdiente die Wahrheit. Also brachte sie all ihren Mut auf und öffnete ihm ihr Herz. »Ich liebe sie mehr als mein Leben. Sie weiß das. ›Kleines Monster‹ ist nur ein Kosename für sie.«
»Mir gefällt das nicht.«
Anabel grinste und prostete ihm mit ihrer Cola zu. »Schon ganz der fürsorgliche Vater. Erinnere dich daran, wenn sie etwas will und weinerlich und stur ist.«
Ungläubig betrachtete er Nicoles süßes kleines Gesichtchen. »Jetzt bist du ungerecht. Dabei gibt es keinen Grund dazu.«
Sie lachte. Oh, ihm würden vor Überraschung noch die Augen übergehen, wenn er ernsthaft glaubte, dass Nicki das perfekte Kind war. Sie war reizend und ein echter Schatz, aber sie konnte genauso launenhaft und widerspenstig sein wie jedes andere Kleinkind auch. »Entschuldige. Lass mich, bevor ich vor Hunger in Ohnmacht falle, noch ein-, zweimal abbeißen, und dann verspreche ich dir, dass ich mich wie durch Zauberhand in ein liebenswürdiges Wesen verwandele.«
Zwar wirkte er nicht hundertprozentig überzeugt, aber er nickte. »Was ist mit Nicole? Ich dachte, du hättest gesagt, dass sie auch hungrig ist.« Er blieb neben der Couch stehen, die Hände tief in die Hosentaschen geschoben und den Kopf gesenkt, und beobachtete versonnen seine Tochter. Ihr T-Shirt war ein Stückchen hochgerutscht und gab den Blick frei auf ihren blassen, zarten Rücken und den oberen Rand eines Windelhöschens, der über den Bund ihrer Shorts schaute. Gil konnte seine Augen nicht von der Kleinen wenden, und in seinem Blick stand all seine Liebe zu dem Kind.
Zu bemerken, wie er Nicole ansah, versetzte Anabel einen Stich. Er hatte schon so viel versäumt. Anabel konnte beinahe körperlich seine Sehnsucht spüren, Nicole in seine Arme zu schließen und sie an sich zu drücken. Es war falsch gewesen, ihm das Baby vorzuenthalten. Doch was hätte sie tun sollen?
Ein nagendes Schuldgefühl stieg in ihr auf. »Ich denke, sie war doch eher müde als hungrig«, sagte sie leise und räusperte sich. In diesem Moment sentimental zu werden, würde nur alles zerstören. »Sie isst, wenn sie aufwacht.«
»Wie lange schläft sie normalerweise?«
»Vielleicht eine Stunde, wenn wir Glück haben.« Anabel starrte auf seine breiten Schultern und seine Muskeln, die sich unter seinem maßgeschneiderten Oberhemd deutlich abzeichneten. »Und wo schlafen wir heute Nacht?«
Abrupt drehte Gil den Kopf und sah sie über die Schulter hinweg an. Sie spürte seinen durchdringenden Blick und wurde immer unsicherer.
»Ich meinte Nicki und mich, nicht …« Diese verdammte Erschöpfung. Sie seufzte und musste ein bisschen über sich selbst
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