Lass uns unvernünftig sein: Roman (German Edition)
sich. Beinahe trotzig schob sie ihr Kinn vor und blickte Gil direkt in die Augen. »Es gibt nur einen Weg, wie du sie bekommen kannst.«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie und ging zum Schein auf ihr Spielchen ein – obwohl er ganz genau wusste, dass er die Kleine niemals gehen lassen würde. Nicht jetzt. Auf keinen Fall. »Und der wäre?«
Mit der Zungenspitze fuhr sie sich über die trockenen Lippen, doch ihr Zögern dauerte nur kurz.
»Du kannst mich heiraten.«
Die Ankunft der Pizza ersparte Anabel für den Augenblick jedes weitere Wort. Nicht, dass sie auch nur noch ein Wort herausbekommen hätte, wenn sie Gil so ansah, der vor ihr stand, verblüfft schwieg und sie ungläubig anstarrte. Tja, was hast du erwartet, Anabel? Dass er dich mit offenen Armen empfängt und dankbar ist? Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, wollte in Tränen ausbrechen, wollte sich hinlegen und schlafen, wollte Nicki schnappen und mit ihr wegrennen – und zwar so weit wie möglich und so schnell sie konnte.
Aber diese Möglichkeiten boten sich ihr nicht.
Während Alice nun also eine Schachtel mit köstlich duftender Pizza und einen Salat ins Büro brachte, wandte Gil sich zum Fenster. Er sah starr, aufgebracht, verwirrt aus – und … nun ja, verlockend.
Verunsichert bemerkte Anabel, dass sie leicht zitterte. Sie begab sich hinter Gils Schreibtisch und ließ sich wieder in seinen bequemen Sessel sinken. Das schicke Büro war nicht schuld an ihrer Beklommenheit. Sie hatte gewusst, dass er wohlhabend war. Das hatte sie an den sündhaft teuren Anzügen gemerkt, die er jedes Mal getragen hatte, wenn er Shelly besucht hatte. Er war immer gepflegt, drückte sich gewählt aus, war höflich und benahm sich perfekt.
Gil versteckte sein wahres Ich sehr gut. Aber Anabel kannte ihn. O ja, sie kannte ihn. Sie kannte ihn und hatte ihn durchschaut, und sie hoffte, dass das ihr Ass im Ärmel sein würde.
Damit sie hier nicht alles noch mehr vermasselte und sich um Kopf und Kragen redete, musste sie erst einmal etwas essen und ein bisschen schlafen. Doch Gil sah ehrlich gesagt nicht so aus, als würde er ihr das im Augenblick gestatten. Zum Teufel mit ihrem losen Mundwerk! Der Stress hatte seinen Tribut gefordert, und sie hatte nicht richtig nachgedacht, als sie mit diesem Vorschlag herausgeplatzt war. Jetzt hieß es, zurückzurudern: Am besten wäre es, das Ganze mit einem Lachen abzutun und dadurch die Situation zu entschärfen. Im Moment war es wichtig, ihm ein bisschen Zeit zu geben, damit er sich an sie gewöhnen konnte.
Vielleicht würde es helfen, ihn zu verführen.
Alice verteilte derweil Servietten. »Sam sagte, er verlangt heute Abend einen vollständigen Bericht. Er wird an Ihrer Stelle mit Ihrer Mutter reden …«
»Verdammt …«
»Nein. Er sagte, er wird sie davon abhalten, Sie zu besuchen, bis Sie sie einladen. Aber er sagte auch, dass Sie Ihr Glück nicht überstrapazieren sollen.«
»Meine Mutter ist nicht gerade für ihre Geduld bekannt.«
Alice lächelte nur. »Sagen Sie Bescheid, falls Sie noch irgendetwas brauchen.«
Nachdem sie wieder gegangen war, trat Gil an den Schreibtisch und sah Anabel an. Wie betäubt saß sie in dem Sessel und traute sich kaum, seinen Blick zu erwidern, während er ihr ein Stück Pizza und den Salat servierte, den sie bestellt hatte. »Du kannst essen und mir währenddessen erklären, was du mir mit dieser ungeheuerlichen Bemerkung sagen wolltest.«
Sie wünschte, er hätte etwas leidenschaftlicher und weniger vernünftig geklungen. Wenn sie sich grundsätzlich in ihm getäuscht hatte, wenn Shelly die Dinge falsch gedeutet hatte, dann würde sie das hier ganz sicher vermasseln.
Um ruhige Gelassenheit bemüht – was nicht einmal an guten Tagen ihre Stärke war –, entgegnete Anabel: »Da gibt es nicht viel zu erklären.«
Sie biss von der Pizza ab und stöhnte genüsslich auf, als sich die Geschmäcker von geschmolzenem Käse, Tomatensoße und würziger Peperoni miteinander vermischten. »O Mann, das ist echt gut.«
Gil starrte auf ihren Mund und verunsicherte sie damit nur noch mehr. »Habt ihr seit heute Morgen überhaupt etwas gegessen?«
»Ich habe etwas für das kleine Monster eingepackt – aber ich hatte ehrlich gesagt kaum Zeit zum Essen.« Dazu war sie viel zu nervös gewesen, hatte zu sehr unter Druck gestanden: Hektisch und verzweifelt hatte sie nach einem Ausweg gesucht, um das Unvorstellbare doch noch abzuwenden. Aber wie sich jetzt zeigte, waren
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