Lass uns unvernünftig sein: Roman (German Edition)
mit ihr geschlafen. Und sie hatte sein Kind zur Welt gebracht und ihn weiterhin wie einen engen Freund behandelt. Ohne ihm auch nur ein Wort zu sagen …
Allein bei dem Gedanken an diesen Betrug zog sich Gils Magen schmerzvoll zusammen. Er hatte es nicht gewusst, verdammt, aber das war keine Entschuldigung. Shelly hatte sich allein um ihr Baby gekümmert. Und nun war sie tot. An ihr konnte er nichts wiedergutmachen – doch er konnte ihre gemeinsame Tochter großziehen. Und das würde er auch tun.
Schließlich gab er es auf, schloss das Computerprogramm und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. In seinem Kopf herrschte noch immer ein Durcheinander von Reuegefühlen und Neugierde und dieser Nervosität, die ihn schon seit Tagen nicht mehr losließ. Ein Baby, sein Baby. Himmel.
Ein kleiner Aufruhr im Vorzimmer erregte seine Aufmerksamkeit, und er setzte sich wieder auf. Verwirrt und beunruhigt blickte er hoch, als seine Assistentin anklopfte und ihren Kopf durch die Tür steckte. Ihr Stirnrunzeln konnte es mit seinem durchaus aufnehmen. »Gil, Sie haben … Besuch.«
Mit ihren fünfzig Jahren hatte Alice keinen Hang zu übertriebener Melodramatik. Ihr ernster Gesichtsausdruck veranlasste Gil dazu, von seinem Schreibtisch aufzuspringen. »Wer ist es?«
»Nun, die junge Dame hat sich als Anabel Truman vorgestellt. Und die ganz junge Dame ist Nicole Lane Tyree, soweit ich sie trotz des Daumens in ihrem Mund verstanden habe.«
Jeder Muskel in Gils Körper war mit einem Schlag angespannt. Für einen Moment war er vollkommen außer Gefecht gesetzt. Seine Tochter war hier – mit Anabel. Zwei Wochen zu früh. Mit ein paar Schritten kam er um seinen Schreibtisch herum.
Zum Teufel mit Anabel! Er hatte ihr angeboten, zu ihr zu kommen oder den beiden ein Flugticket zu besorgen und für die Reise zu bezahlen. Doch so trotzig und unmöglich, wie sie nun einmal war, hatte sie abgelehnt und ihm erklärt, dass sie frühestens in zehn Tagen fahren könnte. Zehn lange Tage, bevor er sein Baby kennenlernen würde …
Und trotzdem tauchte sie nun hier auf – noch dazu in seinem Büro, wo sie eigentlich nicht auftauchen sollte. Er hätte sie lieber bei sich zu Hause empfangen, um seine Privatangelegenheiten noch ein bisschen länger privat zu halten. Wenigstens so lange, bis er wusste, was zu tun war, wie es weitergehen sollte …
Die Arme hinter dem Rücken verschränkt und mit hochgezogenen Augenbrauen trat Alice zur Seite, als Gil an ihr vorbei aus dem Büro stürmte.
Wenn das hier eine wohlüberlegte Aktion von Anabel war, um ihn in Verruf zu bringen, würde er … Tja, er wusste noch nicht, was genau er tun würde, aber er würde sich auf jeden Fall etwas einfallen lassen.
Weil Anabel ihre Mitbewohnerin gewesen war, kannte er sie schon genauso lange wie Shelly. Sie war jedes Mal da gewesen, wenn er Shelly besucht hatte, hatte ihn dauernd aufgezogen und auf ihm herumgehackt. Ihre Anwesenheit hatte er immer als anstrengend empfunden. Denn sie hatte ihn dazu gebracht, Dinge zu denken, die er nicht denken sollte, Dinge, die er nicht denken wollte – vor allem jetzt, da er sich neuen Verantwortungen stellen musste …
Als Shellys beste Freundin war sie damals tabu gewesen. Aber das hatte sich nun geändert.
Er stieß die Tür weit auf und erstarrte. Sein Herz pochte heftig, sein Magen zog sich zusammen, seine Knie drohten unter ihm nachzugeben. Verdammt, warum hatte Anabel diese Wirkung auf ihn?
Sie sah aus wie immer: verführerisch. Eigentlich hatte er sie nie besonders gemocht. Sie war ihm zu unverblümt, zu offensiv gewesen. Zu unverhohlen sexy und provokativ. Zu … heiß. Sie war eine dieser Frauen, von denen man einfach wusste, dass sie fantastisch im Bett waren – und das brachte ihn beinahe um den Verstand.
Nicht nur ihr Schmuck, ihr auffälliges Make-up und ihre gewagten Klamotten hatten es ihm schon immer schwierig gemacht, sie zu ignorieren. Etwas an der Art, wie sie ihn angesehen hatte, ihre wachsame Aufmerksamkeit ihm gegenüber, die sinnliche Energie in ihrem Blick hatten ihn dazu gebracht, sich zu fragen, ob sie vielleicht doch zueinander passten.
Dieser Gedanke war ihm jedes Mal durch den Kopf geschossen, hatte ihn nicht mehr losgelassen, wenn er in ihrer Nähe gewesen war.
Inzwischen glaubte er zu wissen, dass sie ihn vermutlich aus dem einfachen Grund so intensiv beobachtet hatte, dass er Nicoles Vater war und es nicht wusste. Möglicherweise hatte er sie vollkommen missverstanden.
Als sie
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