Last days on Earth
von
»eilige Sache« und vertiefte sich in ihre Notizen zum Wunderland-Fall. Er lieÃ
ihr keine Ruhe.
Vittore »Santo« Perfido war der schwärzeste Hut, der ihr je
begegnet war. Er war vor ungefähr acht Jahren aus dem Nichts in der Stadt aufgetaucht und hatte
systematisch die gesamte organisierte und unorganisierte Verbrecherszene unter
seine Regie gebracht. Inzwischen gab es kein Vergehen mehr, in dem er nicht
seine Finger hatte: vom einfachen Einbruch bis zur komplizierten Erpressernummer,
von der Geldwäsche zum Bluthandel, von der Prostitution zum illegalen
Glücksspiel â es gab nichts, was er nicht kontrollierte oder wo er zumindest
seinen Profit herausschlug.
Seine Verbindung zu den terroristisch erscheinenden Anschlägen, die
Karla und Fokko ihm in mühevollster Kleinarbeit hatten nachweisen wollen, war
nach wie vor eine Vermutung, die in der Dienststelle niemand so recht teilen
wollte. Allein Fokko hatte ihrem Instinkt vertraut. Aber nun lag er mit einem
Schädelbruch im Krankenhaus.
Sie biss sich unschlüssig auf die Lippe und malte Kringel um ein
paar Stichworte. »Bluthandel«, »Prostitution«, »Glücksspiel«. Kringel,
Kreuzchen, Ausrufezeichen. Sie musste nur den Hörer abnehmen. Oder am Abend Kit
fragen.
Er musste Verbindung zu Perfido haben, auf die eine oder andere
Weise. Christopher Marley, ihr Geliebter. Sie sprachen nur, wenn es sich nicht
vermeiden lieÃ, über ihre Tätigkeiten, die so entgegengesetzt waren, wie man
sie sich nur denken konnte. Kit betrieb ein Casino, einen Nachtclub und ein
Bordell, alles nobel, teuer, exklusiv, keine dunklen Hinterzimmer und
schmuddligen Absteigen. Die High Society verkehrte bei Kit. Aber Karla wusste,
dass es kein halbseidenes Etablissement in dieser Stadt gab, das nicht
Schutzgelder bezahlte oder auf andere Weise in Perfidos Hand war. Kit Marley
machte da sicherlich keine Ausnahme.
Karla strich die Kringel und Kreuzchen energisch aus und griff nach
dem Telefon. »Mick, kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte sie, während sie
wählte. »Ich brauche diese Akte aus dem Archiv. Und frag Alex bitte, ob ich
heute Nachmittag Daimonenzeit buchen kann.«
Mick grummelte ein bisschen, aber sie stand auf und nahm den Zettel,
den Karla ihr reichte. Sie war eine nette, hilfsbereite junge Magistra, die
ihre ältere Kollegin insgeheim bewunderte. Karla fühlte sich ein wenig
schlecht, dass sie das manchmal ausnutzte, aber sie wollte für dieses Telefonat
ungestört sein.
»Spreche ich mit Vadim SonofabiËc?«
»Ja, am Apparat«, sagte eine rostig klingende Stimme. »Mit wem habe
ich das Vergnügen?«
»Karla van Zomeren«, antwortete sie. »Herr SonofabiËc, ich bin auf
der Suche nach ein paar Informationen für einen Artikel.«
»Sie sind Reporterin?« Die Stimme lieà Misstrauen erkennen. Karla
seufzte lautlos. »Genau genommen schreibe ich an einem Buch«, beeilte sie sich,
die Lüge in eine andere Richtung zu schieben. »Der Artikel ist für eine
Fachzeitschrift bestimmt.«
»Ein Buch. So.« Der Mann überlegte. »Was wollen Sie wissen?«
»Ich möchte das nicht gerne am Telefon besprechen. Könnten wir uns
treffen?«
Zu ihrer Ãberraschung lachte er. »Treffen. Das hat sich schon lange kein
hübsches Mädchen mehr von mir gewünscht. Sie sind doch hübsch, oder?«
Karla verdrehte die Augen. Ein süÃholzraspelnder Gestaltwandler, das
hatte ihr noch gefehlt. »Meinen Geschmack treffe ich jedenfalls«, sagte sie
kühl. »Wie wäre es mit Montag? Im River Café? Wissen Sie, wo das ist?«
»An der Promenade«, erwiderte der Mann. »Dort verkehren
Nichtmenschen.« Seine Stimme klang missbilligend. Karla hätte beinahe gelacht.
Er war selbst ein verdammter Gestaltwandler! Es gelang ihr, die Fassung zu
bewahren und das Date festzumachen. Dann legte sie auf, lehnte sich zurück und
grinste zur Decke empor.
»Worüber lachst du?« Mick kam herein.
»Ich hab bloà gute Laune«, erwiderte Karla und ordnete ihre
Gesichtszüge. »Habe ich Daimonenzeit?«
»Hast du. Wann kommt dein Neuer?«
»Der kommt nicht.« Karla beugte sich über ihre Notizen. SonofabiËc
bekam einen Haken und den Zusatz, wann sie ihn treffen wollte. Sie überflog
ihre Fragen und notierte sich alles, was sie bei Omnipedia nachschlagen musste.
Eine Stunde Daimonenzeit war
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