Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
umgebracht, ermordet! Das war kein Unfall, so unaufmerksam ist sie nie gewesen.»
«Franziska Ruhland? Wer ist das?»
«Haben Sie denn nichts davon gelesen? Sie wurde überfahren; vorgestern. Jemand soll sogar gesehen haben, wie sie gestoßen wurde.» Er weinte wieder auf. «Warum sollte sie sich auch vor ein Auto werfen? So ein Unsinn; und was für eine ungeschickte Art, sich zu töten. Nein, sie hatte einfach keinen Grund, sich was anzutun. Wir haben uns doch geliebt; ich hab sie so sehr geliebt.»
Laubmann griff bereits unwillkürlich nach seinem Taschentuch. Aber Professor Konrad beruhigte sich langsam. Seine Stimmung schlug mehr in Anklage und Aggression um. «Diese Zeitungen schreiben so verallgemeinernd! Man erfährt nichts genau. Und Angehörige hatte Franziska hier nicht, an die ich mich wenden könnte; zu ihren wenigen Verwandten hat sie keinen Kontakt gehalten.»
«Hatte sie außer Ihnen niemanden Vertrauten?» «Eine sehr gute Freundin, ihre beste Freundin; aber die ist zur Zeit in Neuseeland. Deren Cousine wohnt hier in der Nähe. Mit ihr hat sich Franziska jedoch nie so recht verstanden, obwohl sie sie gemocht hat. – Ich war ihr der wichtigste Freund und ‹Angehörige›; mich hat sie geliebt. Und trotz meines Priesterseins hab ich sie genauso geliebt.» «Aber Sie hätten als Priester beziehungsweise ohne eine Dispens von Ihren Weiheversprechen und damit vom Zölibat Ihre Liebe nie richtig leben können», platzte es aus Laubmann heraus, der sich sofort darüber ärgerte, daß er den falschen Ton getroffen hatte.
Konrad lachte nur bitter auf. «Jetzt hab ich kein Problem mehr damit. Jetzt kann ich dem Zölibat wieder gehorchen.» «Ich hab mich immer gefragt: Warum sollen Priester nicht heiraten dürfen, wenn eine solche Liebe entstanden ist?» Der Moraltheologe hatte ohne Zweifel den wunden Punkt berührt, und nicht nur den Konrads.
«Ich bin froh, daß Sie da auf meiner Seite sind, Herr Laubmann, daß Sie nicht so verbohrt darüber denken wie viele Kirchenleute. – Wir wollten tatsächlich heiraten.» Konrad klang illusionslos. Der Professor war mühsam aufgestanden. Er stützte sich auf ein Fensterbrett und sah in die Dunkelheit hinaus, die vom gelben Licht einer Laterne durchbrochen wurde.
Nun richtete sich Konrad ganz auf. Er war ein ziemlich großer Mann mit guter, sportlicher Figur. Nase, Mund, Augen und auch die vollen grauen Haare wirkten sinnlich und verliehen ihm einen sehr lebensfrohen Anstrich. Stets trug er dunkle, perfekt sitzende Anzüge. Damit sah der 49jährige eleganter und weltmännischer aus, als das manche von einem Bamberger Theologieprofessor vermutet hätten. «Wenn ich nur wüßte, was die Polizei über ihren Tod herausbekommen hat!» Konrad verkrampfte sich wieder. «Sie haben nur aus der Zeitung erfahren, daß Ihre … wie soll ich sagen … Geliebte … durch einen Unfall oder auf andere Weise gestorben ist?»
«Wir wollten unsere Beziehung erst in einiger Zeit bekannt werden lassen. Wenn wir Kraft dazu gefunden hätten. Das will ja erst einmal überstanden sein, wenn es heißt: ‹ Ein katholischer Priester, Theologieprofessor, hat ein Verhältnis ›, und die Leute zerreißen sich das Mundwerk und zeigen mit Fingern auf einen.»
«Ganz abgesehen von den kirchenrechtlichen Konsequenzen.» Auch diese Bemerkung wäre jetzt wirklich nicht nötig gewesen. «Warum sollte jemand Ihre Geliebte überhaupt umbringen wollen?» fuhr Laubmann fort. «Ich habe keine Ahnung.»
«Ich fürchte aber, es wird auch ein Verdacht gegen Sie entstehen. Man wird nach Motiven suchen; falls Sie trotz des Zölibats geheiratet hätten; oder wenn sie, Ihre Geliebte, das zum Beispiel plötzlich nicht mehr gewollt hätte …» «Meinen Sie, daß die Polizei auf mich zukommen wird?» fragte der Professor.
Unten ging die Tür des Saals auf. Frau Schmidt kam herein und rief: «Ich gehe jetzt. Haben Sie den Schlüssel, Herr Dr. Laubmann, zum Absperren, wenn Sie fertig sind?» «Ja, ich schließe ab! Danke!» rief Laubmann überlaut zurück, so daß der neben ihm stehende Professor das Gesicht verzog. Nach einem Gutenabendgruß war die Bibliotheksangestellte auch schon verschwunden. Den Professor hatte sie nicht bemerkt. «Sie weiß anscheinend gar nicht, daß Sie hier sind.»
«Ich habe in letzter Zeit gelernt, mich sehr unauffällig zu benehmen. Ich wollte allein sein. Und das kann man manchmal zwischen all den Büchern hier recht gut. Vor allem nachts. Meinen Sie, die Polizei wird auf mich
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