Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
Angst um ihr Pferd ließ Laura nun doch einen Blick über die Schulter werfen - aber da war nichts! Weder ein Pferd noch ein Reiter und schon gar keine Hunde! Selbst die Krähen waren verschwunden. Im selben Augenblick verstummten die unheimlichen Geräusche, und es war wieder still.
Totenstill.
Laura war ebenso erstaunt wie ratlos. Sollte sie sich das alles am Ende nur eingebildet haben?
2
Im Zeichen der Dreizehn
unkelheit hatte sich über Aventerra gesenkt. Ein eisiger Wind heulte über die Hochebene von Calderan, peitschte die mächtigen Bäume in den alten Auenwäldern, sodass sie ächzten und stöhnten. Er ließ das silbrige Wispergras auf der weiten Ebene zittern und trieb dickbauchige Wolken wie flüchtende Streitrosse über den roten Himmel. Den beiden Monden von Aventerra, dem schwefelgelben Goldmond und dem leuchtend blauen Menschenstern, gelang es deshalb kaum, mit ihrem matten Licht den ältesten der alten Planeten zu erhellen.
Im Norden, wo die Ebene steil abfiel und das Dunkel des Landes mit dem Nachtrot des Himmels verschmolz, erhob sich eine mächtige Burg: Es war Hellunyat, die uralte Gralsburg. Ihre zinnenbewehrten dicken Mauern, die trutzigen Türme und der gewaltige Bergfried zeichneten sich als riesiger schwarzer Schattenriss vor dem Horizont ab.
Wie Aventerra, so existierte auch Hellunyat schon seit Anbeginn der Welten. Niemand konnte sich daran erinnern, wann die Festung erbaut worden war, und jeder war sich sicher, dass sie auch das Ende der Zeiten überdauern würde. Schließlich war Hellunyat die Heimstatt des Hüters des Lichts und seiner Gefolgschaft. Nun aber hatte sich die Stille der Nacht über Hellunyat und seine Bewohner gesenkt. Alles schlief, nur die Wachleute, die auf den vier Türmen Posten bezogen hatten, kämpften gegen den Schlummer an.
Tarkan, ein junger Ritter, und der alte Marun taten Dienst auf dem Ostturm. Der hoch aufgeschossene Tarkan hatte seine Ausbildung im letzten Mond beendet und war vom Hüter des Lichts in den Kreis seiner Ritter aufgenommen worden. Es war erst seine zweite Nachtwache, und so wanderte der junge Mann unruhig auf und ab. Angestrengt spähte er durch die Schießscharten der Turmkrone hinaus auf die Ebene. Doch wohin er auch blickte, ob nach Osten, wo in weiter Ferne das tückische Modermoor hinter einem schmalen Streifen Auwald gelegen war, oder nach Süden, wo die schroffen Drachenberge die Ebene begrenzten, oder nach Norden, wo das flache Land über schroffe Felsen steil abfiel in die finstere Dusterklamm - alles war friedlich und still. Nur der Wind heulte. Nach Westen hin aber, zum dichten Raunewald, verwehrten die Mauern der Burg dem Wächter den Blick.
Die Kälte ging Tarkan unter die Haut. Während er seinen Filzumhang über dem ledernen Brustpanzer dichter zusammenzog, schreckte ihn ein ungewohntes Geräusch auf. Tarkan lauschte. Und tatsächlich - da war es wieder, dieses schaurige Pfeifen. Schon hatte er die Hand an den Griff des Schwertes gelegt, als ihm klar wurde, was es mit diesem schaurigen Laut auf sich hatte: Es war nur ein harmloser Nachtpfeifer, der seinen klagenden Ruf in der Ferne erschallen ließ. Verärgert über sich selbst, schüttelte Tarkan leicht den Kopf.
Marun lächelte nur still vor sich hin. Für den untersetzten Mann war der Wachdienst im Laufe der Jahre längst zur Routine geworden. Der alte Ritter konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie viele dieser langweiligen, sich endlos dehnenden Stunden er schon hinter sich gebracht hatte. Immerhin hatte er eines dabei gelernt: Die ewige Warterei und das anhaltende Starren in die Dämmerung oder die Dunkelheit konnten einem so manchen Streich spielen. Selbst die harmlosesten Geräusche und Schattenspiele konnten einem in der Anspannung gefährlich erscheinen. Doch Marun wusste, dass Ruhe und Gelassenheit gegen solche Täuschungen und Trugbilder am besten halfen. Er hatte sich auf den Boden gesetzt, den Rücken an die Mauer gelehnt, die Hände über dem kugelförmigen Bauch gefaltet, und döste schläfrig vor sich hin. Nun aber hob er den Kopf und blinzelte Tarkan verärgert an.
»Meine Güte, Tarkan«, raunzte er, »du machst mich noch verrückt mit deinem ewigen Gerenne. Gib endlich Ruhe, und setz dich zu mir!«
»Wir haben Wache«, entgegnete Tarkan mit leichtem Trotz. »Wir müssen aufpassen, dass sich die Schwarzen Heere nicht unentdeckt der Burg nähern.«
»Was du nicht sagst! Du hast noch in den Windeln gelegen, als ich meine erste Wache geschoben
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