Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
verschwiegen, dass Laura eine besondere Aufgabe im ewigen Kampf des Guten gegen das Böse zugedacht war und sie als eine der Wächter über fantastische Fähigkeiten verfügte. Sayelle würde das ohnehin nicht verstehen – und schon gar nicht glauben. Für die Wirtschaftsjournalistin zählten lediglich Fakten, die jederzeit überprüfbar waren. Dass der Anführer der Dunklen auf Burg Ravenstein Lauras Skibindungen durch Telekinese gelöst haben könnte, würde Sayelle für völlig ausgeschlossen halten und als bloße Spinnerei abtun.
»Ähm«, räusperte sich Laura noch einmal. »Ich… äh… ich hab mich irgendwie irritiert gefühlt, als der Typ mich mitten im Steilhang überholt hat.«
»Aber Laura, da kann der arme Mann doch nichts dafür, oder?« Maximilian Longolius bedachte sie mit einem aufgesetzten Lächeln. Die Schweinsäuglein hinter seiner teuren Designerbrille funkelten.
»Natürlich nicht. Das hab ich ja auch nicht behauptet.« Rasch wandte Laura sich ab. Sie konnte Mister L einfach nicht ausstehen. Dabei hatte er ihr nichts zu Leide getan. Im Gegenteil: Die Familie zum Wintersport einzuladen war sogar überaus großzügig von ihm. Auch wenn er sich damit nur bei Sayelle einschleimen wollte. Longolius hatte nämlich seit langem ein Auge auf die junge Frau geworfen, und sie wahrscheinlich nur deswegen bei der »ZEITUNG« angestellt. Was nicht nur üble Gerüchte unter ihren Kollegen in Gang gesetzt, sondern auch Lauras Misstrauen geweckt hatte. Sayelle schien das keineswegs zu stören. Sie genoss Maximilians unverhohlene Anbaggerei und ließ keine Gelegenheit aus, in seiner Nähe zu sein.
Laura fand das ausgesprochen peinlich. Schließlich war Sayelle immer noch mit ihrem Vater verheiratet, der seit gut einem Jahr als vermisst galt. Natürlich konnte ihre Stiefmutter nicht wissen, dass Marius Leander von den Mächten der Finsternis nach Aventerra verschleppt worden war und im Verlies der Dunklen Festung, der unheimlichen Trutzburg des Schwarzen Fürsten Borboron, gefangen gehalten wurde. Aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, Marius zu hintergehen. Schon gar nicht mit diesem schleimigen Maximilian Longolius, der etliche Jahre älter als Marius war und so steif, dass er selbst beim Abendessen Jackett und Fliege trug.
»Max und ich fahren nachher in die Stadt und gehen ins Theater.« Sayelle sah die Geschwister erwartungsvoll an. »Habt ihr nicht Lust, uns zu begleiten?«
»Nein, danke«, sagte Laura, während Lukas seine Ablehnung mit einer wortlosen Grimasse kundtat.
»Und was ist mit dir, Kevin?«
Auch der schwarz gelockte Junge machte kein begeistertes Gesicht. »Ach, wissen Sie«, sagte er gedehnt, »eigentlich wollten wir nach dem Essen das neue Quiz spielen.«
Verärgert verdrehte Sayelle die Augen. »Gute Güte, das könnt ihr doch auch morgen noch!« Ihre Stimme klang gereizt. »Die Inszenierung soll ganz ausgezeichnet sein, hab ich gelesen, und ihr hättet die einmalige Chance, ein außergewöhnliches Theaterereignis zu erleben!«
Mister L legte ihr mit sanftem Lächeln die Hand auf den Unterarm. »Lass gut sein, Sayelle! Wenn die jungen Leute andere Pläne haben, sollten wir sie nicht davon abhalten, nicht wahr?« Damit grinste er Laura und Lukas übertrieben freundlich an.
W iderlich!
Der Typ war einfach widerlich. Und irgendwie hinterhältig. Laura wusste nicht warum, aber sie hatte das merkwürdige Gefühl, dass mit Max Longolius etwas nicht stimmte. Bei dem Versuch, seine Gedanken zu lesen, hatte sie allerdings nichts Verdächtiges entdecken können. Trotzdem: Longolius war nicht zu trauen, das spürte sie einfach. Auch wenn er noch so freundlich tat.
»Möchte jemand von euch noch Nachtisch?«, fragte Max wie zur Bestätigung. »Eis? Pudding? Obst?«
»Eis war nicht schlecht.« Lukas’ Augen glänzten bereits vor Vorfreude auf die Leckerei. »Mit Sahne, wenn’s geht.«
»Natürlich, mein Junge.« Mister L nahm die silberne Glocke vom Tisch und läutete. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet, und der Hausdiener trat geräuschlos ins Esszimmer.
Konrad Köpfer war ein hagerer Mann undefinierbaren Alters mit einer blassen Haut, die ihn kränklich aussehen ließ, und mit pumucklrotem Haar. Manchmal, wenn die Sonne darauf schien, kam es Laura so vor, als lodere ein Feuer auf seinem Kopf. Zudem hatte er etwas von einem Kater an sich. Kaum hörbar schlich er überall im Haus herum und tauchte ständig irgendwo auf, wo man ihn nicht vermutete. Er hatte Laura schon des
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