Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
aus großen Augen an. Elysion konnte die Furcht darin lesen, die Morwenas Elevin ergriffen hatte. »Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst, Alienor, aber ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll. Paravains Männer haben tagelang nach deinem Bruder gesucht, aber nicht eine Spur von ihm entdecken können. Wir werden auch weiterhin alles unternehmen, um Alarik zu finden. Dass uns das allerdings gelingt, kann ich dir nicht versprechen. Leider!«
Alienor senkte den Kopf und blickte traurig auf die steinernen Bodenfliesen. Helles Licht flutete durch die Fenster in den Saal, und von draußen, vom Innenhof der mächtigen Gralsburg her, drangen das Trappeln von Pferdehufen, das Klirren von Waffen und Werkzeugen und das Hämmern der Schmiede an das Ohr des Mädchens. Doch Alienor nahm die Geräusche kaum wahr, denn ihre Gedanken waren bei ihrem Bruder, der seit der Wintersonnenwende vermisst wurde.
Alarik war damals mit den Weißen Rittern und ihrem Anführer Paravain zum Tal der Zeiten aufgebrochen, um an der magischen Pforte auf das Mädchen zu warten, das den Kelch der Erleuchtung vom Menschenstern nach Aventerra bringen sollte. Als die Truppe dann ohne den Kelch der Erleuchtung zur Gralsburg zurückgekehrt war, hatte alle Bewohner von Hellunyat ein lähmendes Entsetzen gepackt, und niemandem war aufgefallen, dass sich der Knappe nicht mehr unter den Reitern befand. Alle hatte nur der schreckliche Gedanke an den unabwendbaren Tod ihres Herrschers Elysion und den Untergang ihres Planeten Aventerra beschäftigt. Die Furcht, dass die schlimme Wunde, geschlagen vom Schwert des Schwarzen Fürsten Borboron, ihren Herrn in die ewige Dunkelheit befördern würde, hatte die Anhänger des Lichts alles andere vergessen lassen. Erst als Elysion wenig später ganz unverhofft auf wundersame Weise geheilt wurde und damit der drohende Untergang und die Herrschaft des Ewigen Nichts abgewendet waren, fiel Alariks Abwesenheit auf. Doch niemand, weder Paravain noch einer seiner Weißen Ritter, wusste, wo ihnen der Knappe abhanden gekommen war. Einige meinten, ihn im Tal der Zeiten zum letzten Mal gesehen zu haben, während andere beschworen, Alarik sei noch bei ihnen gewesen, als sie auf dem Rückweg die Donnerberge überquerten. Eine der beiden jungen Frauen, die Aufnahme in den edlen Kreis von Elysions Leibwache gefunden hatten, war dagegen der festen Überzeugung, der Junge sei schon auf dem Hinweg nicht mehr bei ihnen gewesen, konnte sich jedoch nicht genau erinnern, ob sie ihn in den unwirtlichen Weiten des Rollenden Steinmeeres oder erst auf den schmalen Saumpfaden, die hoch zur sturmumtosten Passhöhe der Donnerberge führten, verloren hatten.
Sie hatte sich allerdings getäuscht, denn Paravain hatte noch unmittelbar, bevor er zur magischen Pforte geschritten war, mit seinem Knappen gesprochen. Alarik hatte seinen Herrn gebeten, ihn dorthin begleiten zu dürfen, war jedoch abgewiesen worden. Was danach mit dem Jungen geschehen war, lag im Dunklen.
Natürlich machte der Anführer der Weißen Ritter sich Vorwürfe. Schließlich war Alarik seiner Obhut anvertraut, seit dieser als Knappe an die Gralsburg berufen worden war. Paravain hatte denn auch umgehend einen Suchtrupp aus den besten seiner Männer zusammengestellt und diesen losgeschickt. Doch obwohl die Ritter die gesamte Strecke bis zum Tal der Zeiten abgesucht und sogar die Regionen abseits des Weges durchkämmt hatten, konnten sie nicht die geringste Spur von dem Jungen entdecken. Er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
Alienors blaue Augen schimmerten feucht, als sie zu dem Hüter des Lichts aufsah. »Ich weiß, Herr, Paravain wird auch weiterhin alles in seiner Macht Stehende tun, um Alarik zu finden. Ich hatte allerdings gehofft, dass Ihr mehr ausrichten könnt. Ihr verfügt doch über ganz besondere Kräfte, und –« Sie brach ab und senkte erneut den Blick, als habe sie Angst, sich einen Tadel einzuhandeln.
Elysion machte einen Schritt auf sie zu und schenkte ihr ein gütiges Lächeln. »Du hast Recht.« Die Stimme klang trotz seines hohen Alters klar und kräftig. »Ich verfüge in der Tat über ganz außergewöhnliche Kräfte. Wie gerne würde ich dir dabei helfen, deinen Bruder zu finden. Aber auch mir sind Grenzen gesetzt. Hellsehen kann ich nicht. Diese Gabe wurde mir leider nicht verliehen.«
»Und wenn ihm etwas zugestoßen ist, Herr?« Tiefe Besorgnis bewölkte das sonst so heitere Gesicht des Mädchens. »Wenn er in die Fänge eines Grolffs
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