Laura und das Labyrinth des Lichts
Grund, den Kopf hängen zu lassen, Laura. Immerhin weißt du jetzt, was es mit den Fünf Zeichen der Schlange auf sich hat.« Er zwinkerte. »Zumindest ansatzweise. Und du weißt auch, wo du nach ihnen suchen musst. Ich bin mir sicher, dass du sie mit Hilfe des Lichts auch finden wirst.«
Laura nickte abwesend. Da bemerkte sie, wie der Pater sich verstohlen an dem Täschchen von vorhin zu schaffen machte. Es war eine schlichte Umhängetasche aus braunem Leinen, deren Vorderseite mit der Stickerei einer Truhe geschmückt war.
»Eigenartig«, sagte sie verwundert.
Der Mönch runzelte die hohe Stirn. »Was?«
»Ich hätte schwören können, dass Sie vorhin etwas hineingesteckt haben. Aber die Tasche ist ganz offensichtlich leer!«
In der Tat: Das Täschchen lag flach wie ein Blatt auf dem Tresen. Laura konnte der Versuchung nicht widerstehen und warf einen Blick hinein. Wie vermutet befand sich nichts darin. Schließlich hob sie die Tasche an – sie war federleicht. »Wozu brauchen Sie die eigentlich?«
»Für gewöhnlich bringe ich in der Tasche Bücher aus der offiziellen Bibliothek …« – er deutete zur Decke, über der die für alle zugängliche Klosterbücherei gelegen war – »… nach hier unten.« Schmunzelnd fügte er hinzu: »Allerdings leistet sie mir auch anderweitig gute Dienste.«
Laura sah ihn ratlos an.
Anscheinend hatte Pater Dominikus Mitleid mit ihr, denn er weihte sie in das Geheimnis der Tasche ein: »Erinnerst du dich, was ich vorhin gesagt habe? Die wesentlichen Dinge sind unter der Oberfläche verborgen. Und genau das trifft auch auf diese Tasche zu.« Er griff nach dem Deckel der Kiste, die auf der Vorderseite abgebildet war – und zu Lauras Erstaunen ließ sie sich auf wundersame Weise öffnen. Dominikus fasste hinein und holte eine Flasche hervor.
Eine Schnapspulle!
Von der war vorher nicht das Geringste zu sehen oder zu ertasten gewesen. Also musste auch diese auf den ersten Blick so unscheinbare Tasche der geheimnisvollen Welt angehören, die mit dem menschlichen Verstand allein nicht zu begreifen war.
»Weißt du«, klärte der Bibliothekar Laura auf und drehte die Leinentasche in den Händen, »auch wenn hier unten stets angenehme Temperaturen herrschen, ist ein gelegentliches Schlückchen nicht zu verachten. Es wärmt nicht nur das Herz, sondern regt auch den Geist an – in Maßen genossen jedenfalls!« Dann zog er eine Grimasse. »Leider hat Abt Gregor dafür kein Verständnis. Aber was der Abt nicht weiß …«
Daraufhin drückte der Mönch die Tasche in Lauras Hand. »Hier, sie gehört dir. Bei dem, was du vorhast, ist sie dir bestimmt von größerem Nutzen als mir hier. Außerdem ist es keine Schande, ein paar kleine Schwächen zu haben. Man sollte nur den Mut aufbringen, auch zu ihnen zu stehen.«
Laura bedankte sich für das Geschenk, da fiel ihr noch etwas ein: »Sagen Sie, wie oft gibt es eigentlich totale Mondfinsternisse?«
»So ein- bis zweimal im Jahr.«
Laura staunte. »So häufig?«
Der Mönch nickte. »Man sollte es nicht meinen, oder?«
»Aber totale Verfinsterungen im siebten oder dreizehnten Mond sind doch bestimmt viel seltener?«
»Das liegt in der Natur der Sache. Lass mich schnell nachsehen!« Pater Dominikus eilte zu einem Regal und zog ein schmales Büchlein heraus. Den Zeichnungen auf dem Einband nach zu urteilen, handelte es sich um ein astronomisches Werk. Dominikus schlug den Almanach auf, blätterte rasch darin herum und hatte es schon gefunden. »Wie ich mir gedacht habe!«, rief der Mönch freudestrahlend aus. »In den letzten fünfzehn Jahren gab es in den entsprechenden Zeiträumen nur zwei totale Mondfinsternisse. Eine im Sommer des Jahres, in dem du sieben Jahre alt wurdest, und die andere zwei Nächte vor deinem dreizehnten Geburtstag.«
»Im Sommer, als ich sieben wurde?«, überlegte Laura laut. »Hat mich da nicht diese blöde Dogge gebissen?« Und mit einem Mal begriff sie, was damals geschehen war!
Kapitel26
Rettung
in letzter
Sekunde
aravain und seine Weißen Ritter brachen im Morgengrauen auf. Es war ein weiter Weg bis in die Nebellande, wo König Rumor sicherlich schon ungeduldig darauf wartete, den zukünftigen Bräutigam seiner Tochter in die Arme schließen zu können. Als er Paravain das letzte Mal zu Gesicht bekommen hatte, war dieser noch ein Knabe gewesen, und so war es höchste Zeit, dass der Ritter Burg Rumorrögk endlich wieder einen Besuch abstattete.
Paravain fühlte sich deswegen schon
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