Laura und das Labyrinth des Lichts
ins Gesicht. »Nennst du das vielleicht normal?«
»Äh … Wi-Wi-Wieso denn nicht?«, stotterte Kaja.
»So ein Quatsch!« Laura zitterte fast vor Empörung. »Das ist bescheuert und alles andere als normal! Und was noch merkwürdiger ist …« Sie richtete sich wieder auf. »Wenn ich mir Gedanken über meine verrückten Träume mache, dann wiegeln alle ab und wollen mir einreden, das hätte nichts zu bedeuten.«
»So ist es ja auch!«, warf Kaja ein.
»Unsinn!« Von innerer Unruhe getrieben, tigerte Laura erneut ziellos durchs Zimmer. »Und was ich überhaupt nicht verstehe: Ihr verhaltet euch alle gleich! Mama, Papa und Lukas. Morgenstern, Miss Mary und Percy – und auch du, Kaja.«
»O nö! Das bildest du dir nur ein.«
»Eben nicht!«, wischte Laura den zaghaften Widerspruch der Freundin zur Seite. »Man könnte fast meinen, ihr hättet euch gegen mich verschworen.« Sie nickte, als wollte sie dadurch letzte Zweifel ausräumen. »Ja, genauso muss es sein!« Wieder trat sie dicht vor Kaja hin und sah sie eindringlich an. »Ich habe doch Recht? Ihr verschweigt mir was, oder?«
Kaja schluckte, um dann kaum hörbar zu murmeln: »Nein – wieso denn?«
»Weil es so ist!«, entgegnete Laura aufgebracht. »Ihr denkt vielleicht, ich bekomme das nicht mit. Wie besorgt ihr mich anguckt, du und alle anderen! Als hätte ich Aussatz oder die Pocken oder sonst eine lebensgefährliche Krankheit.«
Die Freundin wich ihrem Blick aus. »Das stimmt doch nicht«, murmelte sie kaum hörbar.
»Und ob! Meine Eltern versuchen, mir alles recht zu machen. Jeden Wunsch lesen sie mir von den Augen ab, und selbst wenn ich den größten Mist baue, höre ich weder Vorwürfe noch ein böses Wort.« Laura packte die Freundin an den Schultern. »Das ist doch nicht normal. Aber wenn ich die beiden darauf anspreche, streiten sie alles ab. Genau wie du, Kaja!«
»Ja, klar«, antwortete das rothaarige Mädchen mit belegter Stimme. »Weil es einfach nicht stimmt!«
Laura ging auf den Einwand nicht ein. »Und was das Allermerkwürdigste ist: Selbst Lukas, mein oberschlauer Bruder, der mir sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit unter die Nase gerieben hat, dass er um Längen intelligenter ist, gibt sich in letzter Zeit sanft wie ein Lämmchen. Er ist geradezu rührend um mein Wohlbefinden besorgt. Aber genau das ist der beste Beweis, dass hier etwas faul ist und ihr ein falsches Spiel mit mir treibt. Aber warum, Kaja, warum?« Ihre Finger krallten sich in die Schultern der Freundin. »Erzähl mir endlich, was los ist. Jetzt mach schon!«
»Autsch! Du tust mir weh!«, jammerte Kaja mit weinerlicher Stimme und entwand sich Lauras Griff. Ihre Augen schimmerten verdächtig feucht. »Es ist wirklich nichts. Du bildest dir das alles nur ein. Außerdem ist es höchste Zeit zum Mittagessen. Lass uns in den Speisesaal gehen.« Sie erhob sich, vermied es aber immer noch, die Freundin anzusehen.
Laura hob abwehrend die Hände. »Ohne mich. Mir ist der Appetit vergangen, und zwar gründlich.« Damit warf sie sich wieder auf ihr Bett und presste den Kopf ins Kissen.
Kaja musterte sie bedrückt und machte einen Schritt auf sie zu. Dann aber besann sie sich anders. Während sie durch den schummrigen Flur zum Treppenhaus ging, fühlte Kaja sich elend und hilflos wie noch nie zuvor. Sie musste Laura helfen, und zwar so schnell wie möglich – und dabei hatte sie nicht die geringste Ahnung, wie sie das anstellen sollte.
M orwena und Paravain sahen den Hüter des Lichts voller Spannung an. »Nun erzählt schon, Herr«, drängte die Heilerin ungeduldig. »Warum ist das Mittsommernachtsfest für Euch von so großer Bedeutung?«
»Ganz einfach.« Elysion lächelte sanft. »Weil an diesem Tage ein Jüngerer mein Amt und meine Aufgaben übernehmen wird.«
»Was?« Der Ausruf der beiden jungen Leute kam wie aus einem Munde. Paravain und Morwena schauten sich entsetzt an, bevor sie betroffen den Blick senkten. Ratlose Stille herrschte im Thronsaal, sodass nun vom Burghof gedämpfte Laute zu vernehmen waren: das Hämmern der Schmiede, Hufgeklapper und das Wiehern von Pferden, Rufe von Bediensteten und die Kommandos der Heerführer, die ihre Untergebenen im Dienst an der Waffe unterrichteten.
Schließlich brach Morwena das Schweigen. »Aber warum denn, Herr?«, fragte sie heiser, während sie den feuchten Glanz in ihren Augen zu verbergen versuchte. »Ihr seid doch noch bei Kräften und könnt Euer Amt noch lange Zeit ausüben.«
»Das
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