Lauras Zauberritt
Eltern wussten nichts von Sternenschweifs Geheimnis. Sie dachten sicher, dass Laura gerade bei Sternenschweif war und ihm sein Futter brachte.
„Ich könnte ja herausfinden, ob sich deine Eltern schon Sorgen machen“, schlug Sternenschweif vor. „Wenn nicht, können wir ruhig noch ein bisschen fliegen.“
„Das ist eine gute Idee! Lass uns in den Stein schauen.“
Sternenschweif trabte zu einem der Steine aus Rosenquarz. In der Gestalt eines Einhorns verfügte er über viele magische Fähigkeiten. Dazu gehörte auch, dass er mit Hilfe dieser Steine sehen konnte, was gerade irgendwo anders passierte, wenn er sich das nur wünschte.
Er berührte den Stein mit seinem Horn. „Zeig mir die Farm!“
Ein violetter Blitz flammte auf und dichter Nebel umhüllte den Stein. Als er sich lichtete, konnten sie auf der silbern glänzenden Oberfläche des Steins Lauras Zuhause sehen. Laura glitt von Sternenschweifs Rücken, um das Bild besser betrachten zu können. Sie erkannte Sternenschweifs Koppel, die daran angrenzenden Felder und die grasenden Kühe, das Fenster ihres Zimmers, das Auto ihrer Mutter ...
„Lauras Eltern“, befahl Sternenschweif dem Stein.
Das Bild wurde unscharf und verschwand. Dann erschienen Mr und Mrs Foster. Sie unterhielten sich, aber Laura konnte nur ein leises Rauschen vernehmen. Sie strich ihr langes Haar zurück und beugte sich noch näher über den Stein. Das Rauschen verwandelte sich in klare Töne und Laura erkannte die Stimme ihres Vaters.
„Ist Laura immer noch draußen bei Sternenschweif?“
„Ja, sie ist noch draußen, aber mach dir keine Sorgen“, antwortete ihre Mutter. „Sie weiß ja, dass sie zur Schlafenszeit wieder im Haus sein muss. Sie möchte einfach so viel Zeit wie möglich mit Sternenschweif verbringen.“ Mrs Foster lächelte. „Das ist einer der Vorteile, wenn man auf dem Land lebt. Laura und Max haben hier draußen so viel mehr Freiheiten. Stell dir bloß vor, wir würden immer noch in der Stadt leben ...“
Laura sah, wie ihr Vater die Hand ihrer Mutter ergriff. „Hierher zu ziehen war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten.“
Laura richtete sich wieder auf. „Alles in Ordnung. In den nächsten Minuten wird uns niemand vermissen.“
„Machen wir dann jetzt noch einen kleinen Luftritt?“, fragte Sternenschweif eifrig.
„Warte noch kurz. Ich würde gerne noch sehen, was Max macht.“
„Na gut!“, antwortete Sternenschweif bereitwillig. „Max!“
Im Stein wurde Lauras sechs Jahre alter Bruder sichtbar, der gerade in seinem Zimmer mit Buddy, seinem kleinen Berner Sennenhund, spielte.
Max hielt einen Hundekuchen in der Hand. Es sah aus, als wollte er Buddy ‚Sitz‘ beibringen.
Laura grinste. „Max und Buddy gehen morgen zum ersten Mal in eine Hundeschule.“ Es machte ihr Spaß, den beiden zuzuschauen, ohne selbst gesehen zu werden. „Lass uns noch schnell nach Mel sehen“, bat sie.
Mel wohnte auf der Nachbarfarm und war eine ihrer besten Freundinnen. Sternenschweif murmelte ihren Namen und wieder verwandelte sich die Oberfläche des Steins. Dieses Mal sahen sie Mel und ihre Mutter, die den Arm um ihre Tochter gelegt hatte.
„Mel weint ja!“, stellte Laura ganz bestürzt fest. Sie wollte sich gerade tiefer über den Stein beugen, doch dann zögerte sie plötzlich. Ihrer eigenen Familie zuzuhören war bestimmt in Ordnung, aber war es auch richtig, ein Gespräch zwischen Mel und ihrer Mutter zu belauschen? „Ich weiß nicht, ob wir das nicht lieber lassen sollten“, sagte sie unschlüssig.
„Aber wenn wir wissen, was los ist, können wir ihr vielleicht helfen“, wandte Sternenschweif ein.
Laura zögerte. Sternenschweif und sie hatten schon vielen geholfen. Das war schließlich der Grund, warum Einhörner zu den Menschen auf die Erde kamen. Sie sollten ihre magischen Kräfte nutzen, um gemeinsam mit ihren Besitzern anderen Menschen zu helfen. Laura schaute wieder auf das Bild. Mel sah wirklich sehr unglücklich aus. „In Ordnung“, sagte sie. „Aber wir hören ihnen nur ganz kurz zu.“
Gemeinsam beugten sie ihre Köpfe über den Stein.
„Das ist so gemein“, sagte Mel gerade. „Ich kann es einfach nicht. Ich habe Mr Noland zweimal gebeten, es mir zu erklären, und ich verstehe es immer noch nicht!“
„Dann musst du ihn eben noch ein drittes Mal fragen“, entgegnete ihre Mutter sanft.
Laura runzelte verwundert die Stirn. Mr Noland war ihr Klassenlehrer und sehr nett. Womit hatte er Mel bloß so aus der Fassung
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