Lausbubengeschichten
Mann gesagt:
„Eugen, hast du Miezchen nicht gesehen?“
Und er hat gesagt: „Vüloicht, ich woiß es nücht.“ Und
dann hat er wieder in der Zeitung gelesen.
Aber die Frau Geheimrat war ganz nachdenklich, und wie
sie ein Butterbrot geschmiert hat, hat sie gesagt: „Ich kann
mir nicht denken, wo Miezchen bleibt. Sie fängt doch keine
Mäuse nicht?“
Indes bin ich geschwind in den Stall und habe die Katze
genommen. Ich habe ihr an den Schweif einen Pulverfrosch
gebunden und bin hinten an das Haus vom Geheimrat am
Zaun und habe den Frosch angezündet. Dann habe ich die
Katze freigelassen. Sie ist gleich durch den Zaun geschloffen
und furchtbar gelaufen.
Die Magd hat geschrien: „Frau Geheimrat, Mieze kommt
schon.“ Und dann habe ich die Stimme von ihr gehört, wie sie
gesagt hat: „Wo ist nur mein Kätzchen? Da bist du ja! Aber
was hat das Tierchen am Schweif?“ Dann hat es furchtbar
gekracht und gezischt, und sie haben geschrien und die Tas-
sen am Boden hingeschmissen, und wie es still war, hat der
Geheimrat gesagt: „Das üst wüder düser ruchlose Lauspube
gewösen.“
Ich habe mich im Zimmer von meiner Schwester versteckt;
da kann man in unseren Garten hinunterschauen. Meine
Mutter und Anna haben auch Kaffee getrunken, und meine
liebe Mutter sagte gerade: „Siehst du, Ännchen, Ludwig ist
nicht so schlimm; man muß ihn nur zu behandeln verstehen.
Gestern hat er den ganzen Tag gelernt, und es ist gut, daß
wir ihn nicht vor seinen Kolimitonen blamiert haben.“
Und Anna sagte: „Ich möchte bloß wissen, warum der
Herr Amtsrichter nicht stehengeblieben ist.“
Jetzt ist auf einmal am Eingang von unserem Garten
der Geheimrat und die Frau Geheimrat gewesen, und meine
Mutter sagte: „Ännchen, sitzt meine Haube nicht schief? Ich
glaube gar, Geheimrats machen uns Besuch.“
Und sie ist aufgestanden und ihnen entgegengegangen, und
ich hörte, daß sie gesagt hat: „Nein, das ist lieb von Ihnen, daß
Sie kommen.“ Aber der Geheimrat hat ein Gesicht gemacht,
als wenn er mit einer Leiche geht, und sie ist ganz rot gewesen
und hat den abgebrannten Frosch in der Hand gehabt und hat
erzählt, daß die Katze jetzt wahnsinnig ist und drei Tassen
kaputt sind. Und daß es niemand anderer getan hat wie ich.
Da sind meiner Mutter die Tränen heruntergelaufen, und
der Geheimrat hat gesagt: „Woinen Sü nur, gute Frau! Woi-
nen Sü über Üren mißratenen Sohn!“ Und dann haben sie
verlangt, daß meine Mutter die Tassen bezahlt, und eine ko-
stet zwei Mark, weil es so gutes Porzellan war.
Ich bin furchtbar zornig geworden, wie ich gesehen habe,
daß meine alte Mutter den kleinen, alten Geldbeutel heraus-
getan hat, und ihre Hände waren ganz zittrig, wie sie das
Geld aufgezählt hat.
Die Frau Geheimrat hat es geschwind eingesteckt und hat
gesagt, das Schrecklichste ist, daß die arme Katze wahnsin-
nig geworden ist, aber sie wollen es nicht anzeigen aus Rück-
sicht für meine Mutter. Dann sind sie gegangen, und er hat
noch gesagt: „Der Hümmel prüft Sü hart mit Ürem Künde.“
Ich habe noch länger in den Garten hinuntergeschaut. Da
ist meine Mutter am Tisch gesessen und hat sich mit ihrem
Sacktuch die Tränen abgewischt, aber es sind immer neue
gekommen, und bei Ännchen auch. Das Butterbrot ist auf
dem Teller gewesen, und sie haben es nicht mehr essen mö-
gen. Ich bin ganz traurig geworden, und ich bin fort, daß sie
mich nicht gesehen haben.
Ich habe gedacht, wie es gemein ist von dem Geheimrat,
daß er das Geld genommen hat, und wie ich ihm dafür et-
was antun muß. Ich möchte die Katze kaputt machen, daß
es niemand merkt, und ihr den Schweif abschneiden. Wenn
sie dann ruft: „Wo ist denn nur unser Miezchen?“ schmeiße
ich den Schweif über den Zaun hinüber. Aber ich muß mich
noch besinnen, wie ich es mache, daß es niemand merkt. Da
bin ich wieder lustig geworden, weil ich gedacht habe, was
sie für ein Gesicht machen wird, wenn sie bloß mehr den
Schweif sieht. Dann bin ich heim zum Essen gegangen. Anna
ist schon an der Tür gestanden und hat gesagt, daß ich allein
essen muß in meinem Zimmer, und daß ich morgen in die
Schule gehen muß. Der Herr Lehrer Wagner hat es angenom-
men und hat versprochen, daß er mit mir streng ist.
Ich habe schimpfen gewollt, weil es doch eine Schande
ist, wenn ein Lateinschüler mit den dummen Schulkindern
zusammen sitzt, aber ich habe gedacht, daß meine Mutter so
geweint hat.
Und da
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