Lausbubengeschichten
Lausbubengeschichten
von
LUDWIG THOMA
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LUDWIG THOMA
Lausbubengeschichten
Aus meiner Jugendzeit
(1905)
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lit era scripta manet
Ludwig Thoma
(21.01.1867 - 26.08.1921)
. Ausgabe, Januar 2006
© eBOOK-Bibliothek 2006 für diese Ausgabe
Der vornehme Knabe
Zum Scheckbauern ist im Sommer eine Familie gekommen.
Die war sehr vornehm, und sie ist aus Preußen gewesen.
Wie ihr Gepäck gekommen ist, war ich auf der Bahn, und
der Stationsdiener hat gesagt, es ist lauter Juchtenleder, die
müssen viel Gerstl haben.
Und meine Mutter hat gesagt, es sind feine Leute, und du
mußt sie immer grüßen, Ludwig.
Er hat einen weißen Bart gehabt, und seine Stiefel haben
laut geknarrzt.
Sie hat immer Handschuhe angehabt, und wenn es wo
naß war auf dem Boden, hat sie huh! geschrien und hat ihr
Kleid aufgehoben.
Wie sie den ersten Tag da waren, sind sie im Dorf herum-
gegangen. Er hat die Häuser angeschaut und ist stehengeblie-
ben. Da habe ich gehört, wie er gesagt hat: „Ich möchte nur
wissen, von was diese Leute leben.“
Bei uns sind sie am Abend vorbei, wie wir gerade gegessen
haben. Meine Mutter hat gegrüßt und Ännchen auch. Da ist
er hergekommen mit seiner Frau und hat gefragt: „Was essen
Sie da?“ Wir haben Lunge mit Knödel gegessen, und meine
Mutter hat es ihm gesagt. Da hat er gefragt, ob wir immer
Knödel essen, und seine Frau hat uns durch einen Zwicker
angeschaut. Es war aber kein rechter Zwicker, sondern er war
an einer kleinen Stange, und sie hat ihn auf- und zugemacht.
Meine Mutter sagte zu mir: „Steh auf, Ludwig, und ma-
che den Herrschaften dein Kompliment“, und ich habe es
gemacht.
Da hat er zu mir gesagt, was ich bin, und ich habe gesagt,
ich bin ein Lateinschüler. Und meine Mutter sagte: „Er war
in der ersten Klasse und darf aufsteigen. Im Lateinischen hat
er die Note zwei gekriegt.“
Er hat mich auf den Kopf getätschelt und hat gesagt: „Ein
gescheiter Junge; du kannst einmal zu uns kommen und mit
meinem Arthur spielen. Er ist so alt wie du.“
Dann hat er meine Mutter gefragt, wieviel sie Geld kriegt
im Monat, und sie ist ganz rot geworden und hat gesagt, daß
sie hundertzehn Mark kriegt.
Er hat zu seiner Frau hinübergeschaut und hat gesagt:
„Emilie, noch nicht fünfunddreißig Taler.“
Und sie hat wieder ihren Zwicker vor die Augen gehalten.
Dann sind sie gegangen, und er hat gesagt, daß man es
noch gehört hat: „Ich möchte bloß wissen, von was diese
Leute leben.“
Am andern Tag habe ich den Arthur gesehen. Er war aber
nicht so groß wie ich und hat lange Haare gehabt bis auf die
Schultern und ganz dünne Füße. Das habe ich gesehen, weil
er eine Pumphose anhatte. Es war noch ein Mann dabei mit
einer Brille auf der Nase. Das war sein Instruktor, und sie sind
beim Rafenauer gestanden, wo die Leut Heu gerecht haben.
Der Arthur hat hingedeutet und hat gefragt: „Was tun die
da machen?“
Und der Instruktor hat gesagt: „Sie fassen das Heu auf.
Wenn es genügend gedörrt ist, werden die Tiere damit ge-
füttert.“
Der Scheck Lorenz war bei mir, und wir haben uns ver-
steckt, weil wir so gelacht haben.
Beim Essen hat meine Mutter gesagt: „Der Herr ist wie-
der da gewesen und hat gesagt, du sollst nachmittag seinen
Sohn besuchen.“
Ich sagte, daß ich lieber mit dem Lenz zum Fischen gehe,
aber Anna hat mich gleich angefahren, daß ich nur mit Bau-
ernlümmeln herumlaufen will, und meine Mutter sagte: „Es
ist gut für dich, wenn du mit feinen Leuten zusammen bist.
Du kannst Manieren lernen.“
Da habe ich müssen, aber es hat mich nicht gefreut. Ich
habe die Hände gewaschen und den schönen Rock angezo-
gen, und dann bin ich hingegangen. Sie waren gerade beim
Kaffee, wie ich gekommen bin. Der Herr war da und die Frau
und ein Mädchen; das war so alt wie unsere Anna, aber schö-
ner angezogen und viel dicker. Der Instruktor war auch da
mit dem Arthur.
„Das ist unser junger Freund“, sagte der Herr. „Arthur, gib
ihm die Hand!“ Und dann fragte er mich: „Nun, habt ihr
heute wieder Knödel gegessen?“
Ich sagte, daß wir keine gegessen haben, und ich habe
mich hingesetzt und einen Kaffee gekriegt. Es ist furchtbar
fad gewesen. Der Arthur hat nichts geredet und hat mich
immer angeschaut, und der Instruktor ist auch ganz still
dagesessen.
Da hat ihn der Herr gefragt, ob Arthur sein Pensum schon
fertig hat, und er sagte, ja, es ist
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