Lauter Bräute
Kind, Adieu.«
»Adieu, Mutter.«
Ich kochte mir eine Kanne Kaffee, setzte mich damit ins Wohnzimmer, sah aus dem Fenster und machte — unbeteiligt gewissermaßen — Inventur, wie meine Mutter mir vorgeschlagen hatte.
Wahrscheinlich hatte sie recht: Vielleicht wäre ich wirklich viel glücklicher, wenn ich seßhaft geworden wäre und mir eine Familie zugelegt hätte. Andererseits hatte ich erlebt, wie viele meiner Freundinnen, die diesen Weg wählten, noch viel unglücklicher geworden waren als vorher. Alles in allem hatte ich eigentlich keinen wirklichen Grund, mich über mein derzeitiges Leben zu beklagen. Ich war keineswegs unglücklich, und zu tun hatte ich auch zweifellos genug. Meine Stellung hatte nur einen Nachteil: Man traf zwar eine Menge Ehekandidatinnen, jedoch kaum jemals einen heiratsfähigen Mann — was natürlich nicht überraschend war.
Als ich vor ungefähr sechs Jahren vom College kam, hatte meine Mutter gehofft, daß ich mich irgendwo in ihrer Nähe als Lehrerin niederlassen würde. Hätte ich auf sie gehört, hätte ich wahrscheinlich etliche Heiratskandidaten kennengelernt, doch irgendwo schien ich einen mächtigen Anti-Seßhaftigkeitsbazillus in mir zu tragen — und so nahm ich alles Ersparte und schwirrte schnurstracks ab nach Europa. Ein halbes Jahr lebte ich so, wie ich es mir immer erträumt hatte — durchstreifte die Bretagne und die Provence in einem alten Citroën und pirschte mich dann weiter hinunter nach Italien. Es war meine erste Europa-Reise, und sie überwältigte mich völlig. Wenn mein Geld gereicht hätte, wäre ich vielleicht heute noch in Florenz. Wie die Dinge lagen, schaffte ich es jedoch nur knapp bis zurück nach Paris.
Nun, schon Monate vor meiner Geburt war meine Mutter fest davon überzeugt gewesen, daß ich ein Junge werden würde, und sie beschloß, mich nach ihrem Lieblingsbruder Edward D’Arcy Gifford zu nennen — der damals ein vielversprechender junger Mann im Außenministerium war. Die betrübliche Tatsache, daß ich dann ein Mädchen wurde, vermochte ihre Pläne nicht grundlegend zu ändern. Statt Edward D’Arcy wurde ich einfach Elisabeth D’Arcy genannt. Einundzwanzig Jahre später war mein Onkel Botschaftsrat an der amerikanischen Botschaft in Paris, und als mein großes Abenteuer sich dem Ende zuneigte, rief ich ihn natürlich an, um mich zu verabschieden.
Er lud mich sofort zum Mittagessen ein, und ich sehe ihn noch vor mir, wie er dasaß und sich den Bericht über meine Zickzack-Reise hinunter nach Avignon und hinüber nach Genua anhörte. Danach plauderten wir ein Weilchen; und schließlich sagte er: »Du hast ja anscheinend herrliche Ferien gehabt, und jetzt kannst du es sicher kaum erwarten, zurückzukehren.«
»Nach Moberly? Onkel D’Arcy, du willst mich wohl auf den Arm nehmen? Mir graut davor.«
»Wirklich?«
»Wirklich und wahrhaftig.«
»Wenn dem so ist, hast du vielleicht Lust, für uns zu arbeiten. Wir sind wegen der Ferienzeit augenblicklich sehr unterbesetzt und würden uns freuen, wenn du kämst. Es wäre natürlich nur vorübergehend; aber ich könnte mir vorstellen, daß du es recht interessant finden würdest.«
Ich wüßte nicht, was ich mit größerer Begeisterung getan hätte. Diese vorübergehende Stellung dauerte dann ungefähr zwei Jahre, und ich hatte eine himmlische Zeit. Dann — das war wohl unvermeidlich — traf ich Raoul. Er sah gut aus, war witzig und rundherum ungeheuer attraktiv; do.ch leider kein Heiratskandidat, da er bereits eine Frau besaß. Die Affäre endete so schmerzlich, daß ich überzeugt war, mich nie davon erholen zu können; weiter in Paris leben konnte ich nicht, also kehrte ich in die Vereinigten Staaten zurück.
An dem Tage, als ich die Botschaft verließ, sagte mein Onkel zu mir: »Ich kannte ein recht nettes Mädchen namens Paula Ponsonby, die irgendwas in einem Warenhaus in New York ist — Fellowes heißt es wohl —«
»Fellowes, Fifth Avenue«, sagte ich. »Natürlich. Ein fabelhaftes Haus.«
»Nun«, fuhr mein Onkel fort, »wenn du entschlossen bist, nicht zurückzugehen nach Moberly, und auch nicht Lehrerin werden willst, dann wäre es vielleicht keine schlechte Idee, Paula nach deiner Rückkehr anzurufen, dich auf mich zu berufen und sie zu fragen, ob sie irgend etwas für dich hat.«
Ich mietete mich in New York in einem ruhigen, altmodischen Hotel in der Dreizehnten Straße ein, und eine Woche lang war ich zu unglücklich und verzweifelt wegen der Sache mit Raoul, um
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