Lauter reizende Menschen
neuem: Ein Lastwagen fuhr vor, und der Fahrer händigte ihr eine Quittung aus, für die sie am Ende des Monats eine Rechnung schreiben würde.
DRITTES KAPITEL
Die zweite Nacht verlief ereignislos — abgesehen davon, daß Rosie, bereits verwöhnt durch Lucias Nachgiebigkeit während des Erdbebens, freundlich, aber bestimmt den Wunsch bekundete, ins Schlafzimmer gelassen zu werden. »Unsinn!« wehrte Lucia forsch ab, während sie die Tür schloß. »Du schläfst im Flur, wie du es immer getan hast!«
Aber Rosie gab noch lange nicht auf: Sie legte die Nase an den Spalt unter der Tür und winselte so beharrlich, daß Lucia endlich nachgabund sie einließ.
»Meinetwegen!« schimpfte sie ungehalten. »Aber nicht unters Bett! Ich möchte nicht jedesmal, wenn du dich bewegst, an einen neuen Erdstoß denken. Los, komm schon, du Riesenvieh!«
Rosie legte sich auf den Rücken und gurgelte einladend, woraus Lucia zutreffend schloß, daß sie gekrault zu werden wünschte.
Trotz dieser verlorenen Schlacht schlief Lucia ungestört. Kurz nachdem sie aufgestanden war, rief die Mutter an und teilte ihr mit, Onkel Peter habe die Operation bereits hinter sich. »Es war viel weniger schlimm, als wir fürchteten; deshalb können wir uns vorstellen, daß er in absehbarer Zeit die Tankstelle selbst wieder übernimmt!« schloß die Mutter zuversichtlich.
Lucia war froh, daß der Onkel sich wieder auf dem Wege der Besserung befand. Der Gedanke, daß er vermutlich nun doch zur Tankstelle zurückkehren würde, störte sie nicht im mindesten.
»Herrlich! Es ist ja noch ein leeres Zimmer für mich da, und wir würden uns bestimmt gut vertragen. Ja, mit Onkel Peter würde es nur noch netter werden — und falls es mir doch einmal über würde, könnte ich jederzeit gehen, und sei es auch nur für einige Zeit!«
Zu ihrer Freude fiel ihr ein, daß sie heute Annabel Middleton auf dem Campingplatz besuchen wollte. Nach dem Frühstück, von dem sie Rosie vergeblich auszuschließen versuchte, lief Lucia zur Tankstelle hinunter und berichtete Len, was sie eben über ihren Onkel erfahren hatte. Helle Freude stand dem jungen Mann im Gesicht geschrieben, während er zuhörte; kein Zweifel, er hatte den Chef von Herzen gern.
»Fein, wundervoll, herrlich! Am kommenden Sonnabend setze ich auf >Chirurg<. Bestimmt macht er das Rennen!«
»Pferde sind wohl Ihr ein und alles, Len, wie?«
»Ich habe Pferde schrecklich gern, jawohl! Heute früh war ich wieder oben im Gestüt. Jim hat alle Hände voll zu tun. Vorgestern hat er >Merrygirl< mit ihrem Fohlen weggegeben. Diesmal kommt sie zu einem besonders großartigen Hengst!«
»Wie alt ist denn das Fohlen?«
»Noch keine vierzehn Tage; aber es ist schon recht kräftig; dabei ganz komisch gefleckt: vier weiße Beine und einen braunen Fuß. Ein prächtiges Fohlen. Zunächst mußte es Jim im Stall halten, weil das Wetter unfreundlich war, aber an dem Tag, an dem Sie ankamen, hat er es hinausgelassen. Sie hätten es sehen sollen: Wie verrückt ist es umhergetollt.«
»Mr. Middleton muß viel zu tun haben. Hat er eigentlich gar keine Hilfe?«
»Er hatte einen Jungen, aber der kam mit >Raubritter< nicht zurecht; daher hat er ihn entlassen. Vier Pferde muß er versorgen, aber nur noch eine Stute, seit >Merrygirl< fort ist. Er hält sie prima. Gelegentlich müssen Sie sich die Stallung einmal ansehen!«
»Das tue ich gern. Heute vormittag will ich Mrs. Middleton besuchen, Len. Wie steht es mit Onkel Peters kleinem Wagen? Ist er in Ordnung?«
Hoheitsvoll erklärte Len, er selbst habe den Wagen versorgt, seit er hier Dienst tue, und Peter sei niemals im Stich gelassen worden. »Und für Sie habe ich ihn eigens überholt. Die Batterie ist aufgeladen, und das Öl reicht noch lange.« Eilig lief er in die Garage und holte den Kleinwagen heraus. »Mehr als sechzig sollten Sie ihm aber nicht abverlangen«, gab er zu. »Er ist nicht mehr der jüngste!«
»Haben Sie nur keine Angst. Ich fahre höchstens fünfzig. Sehr oft habe ich ohnehin noch nicht am Steuer gesessen. Ich besitze zwar den Führerschein, aber hatte nur selten Gelegenheit, das Auto meines Vaters zu steuern. Deshalb denke ich nicht daran, auf einer völlig fremden Straße wie wild zu rasen.«
»Sehr richtig. Dann hält das Auto noch lange. Still doch, Rosie!«
Der Hund winselte herzzerreißend und schaute Lucia unsagbar vorwurfsvoll an. Schon wollte das Mädchen weich werden. »Sie will wohl mit, wie?«
»Nein. Auto fährt sie nicht. Aber
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