Lauter reizende Menschen
Angler nehmen sie ihm gern ab, und deshalb schafft er augenblicklich tüchtig Vorrat, weil er während der Saison kaum Zeit dafür findet.«
»Führt er die Besucher niemals durch die Gegend?«
»Manchmal im Boot — aber niemals im Flugzeug. Für Abenteuer ist Nigel zuständig. Ach, da ist er ja am Landungssteg, und James ist bei ihm. Die beiden sind schrecklich nett zu dem Jungen, obwohl er ihnen sicher oft auf die Nerven fällt.«
Auf dem schmalen Steg standen zwei Gestalten Hand in Hand. Die eine war James, völlig in die Betrachtung des Wasserflugzeuges versunken, und die andere ein gutaussehender, hochgewachsener junger Mann, der sich nun umwandte und die beiden Damen begrüßte. Einen Augenblick lang war Lucia wie versteinert. »Das ist ja ein richtiger junger Gott!« flüsterte sie Annabel zu. Aber schon wurde sie ihm vorgestellt: dem herrlichsten Jüngling, der ihr je zu Gesicht gekommen war.
Er erinnerte an einen jungen Wikinger — >einfach goldig<, wie sie sich später mit gelindem Spott sagte. Und charmant war er, stellte sie fest, während er sie begrüßte. Dabei war nichts Absichtliches, Geziertes an ihm; er benahm sich ungezwungen freundlich — und auf eine Weise lächelnd, die einem empfänglichen Herzen wohl gefährlich werden konnte!
Aber Lucias Herz war ja gar nicht empfänglich! Das machte sich das Mädchen eindringlich klar. Die Zeiten waren vorbei!
Howard lächelte zu ihr herunter. »Natürlich habe ich schon von Ihnen gehört. Wer hätte das nicht? Großartig, daß Sie die Tankstelle betreuen wollen! Es gibt nicht viele Mädchen, die den Mumm haben, sich in einem solchen Nest zu vergraben!«
Sein Blick ergänzte: >Nicht viele hübsche Mädchen!< Und Lucia war froh, daß sie Kittel und Slacks gegen eine elegante Bluse und kurzen, modischen Rock vertauscht hatte. Wenn man schöne Beine hatte, tat man doch unrecht, sie zu verstecken!
»Überfordert werde ich gewiß nicht: Len tut alle Arbeit, und er paßt gut auf mich auf!«
»Und wir mußten Sie gleich mit einer Tragödie empfangen! Den armen Kerl hat es wirklich schrecklich erwischt!«
Ganz ernst war sein Gesicht geworden. >Er ist ein guter Kerl!< dachte Lucia. >Der erste Mensch hier, der wirklich traurig zu sein scheint.< Und laut sagte sie: »Ich habe das Feuer beobachtet. Das Erdbeben hat mich geweckt, und nachher sah ich aus dem Fenster. Aber ich ahnte nicht...«
»Wer hätte das auch ahnen können! Es war ein unglückseliges Zusammentreffen. Man nimmt wohl an, daß das Erdbeben einen Benzinkanister vom Regal geworfen hat, während der arme Kerl rauchte.«
»Ja«, erwiderte Lucia nachdenklich. »Das hat Mr. Purdy auch gesagt. Aber ich habe mir überlegt, daß es eigentlich nicht so gewesen sein kann.«
Er blickte sie scharf an. »Nicht kann? Warum denn nicht?«
»Weil es zu lange nach dem Erdbeben war. Ich will nicht behaupten, daß der Kanister nicht heruntergefallen ist; aber es kann nicht vom Erdbeben geschehen sein, weil mindestens eine Viertelstunde zwischen dem Beben und dem Augenblick verging, da ich den Brand beobachtete. Erst nachdem ich zwei Zigaretten geraucht hatte, bin ich auf gestanden und ans Fenster getreten.«
»Damit also ist diese Theorie hinfällig«, gab Howard bedächtig zu. »Ob eigentlich sonst noch jemand das Feuer gesehen hat? Wenn nicht, wird man Sie vermutlich zur Leichenschau laden.«
»O weh! Nur das nicht! Das wäre mir furchtbar. Ich wüßte nicht, was ich sagen und was ich tun sollte. Meinen Sie, ich müßte es der Polizei mitteilen?«
Sofort verspürte Nigel den Drang, sie zu beruhigen. »Nein, das glaube ich nicht. Sicherlich hat doch noch jemand es gesehen, und außerdem ist es auch gar nicht so wichtig. Tatsache bleibt, daß das Benzin umkippte, daß die Hütte zur Hälfte niederbrannte und daß der Mann umkam. Vermutlich hat er den Kanister selbst umgeworfen.«
Annabel mischte sich ein. »Ich kann mir vorstellen, wie schrecklich es für Lucia wäre, wenn sie als Zeugin auftreten müßte! Und bestimmt besteht dazu keine Veranlassung. Deshalb wollen wir jetzt lieber von etwas anderem reden. Ich mag gar nicht mehr daran denken — schon gar nicht an einem so wundervollen Tage.«
Nur zu gern stimmte Lucia ihr bei, und eilig wechselte sie das Thema. »Ihr Campingplatz liegt einzigartig schön, Mr. Howard. Die Gegend ist wunderbar, und Sie haben alles so fein eingerichtet — sogar mit Motorboot und Flugzeug! Bestimmt rentiert sich das doch gut!«
Huschte da nicht ein seltsamer Ausdruck
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