Lauter reizende Menschen
sie will auch nicht gern allein gelassen werden. So sehr sie gegen Autos eingenommen ist, würde sie doch mitfahren, falls Sie sie hineinhöben.«
»Ich denke nicht daran! Hat sie denn Angst?«
»Nein. Aber sie wird reisekrank. Sehr, sehr reisekrank. Alles voll!« Er deutete auf das sorgsam gepflegte Polster. Lucia fielen Rosies reichliche Mahlzeiten ein, und sie erschauerte.
»Um Gottes willen! Nicht auszudenken! Also, auf Wiedersehen, Len. Ich bin bald wieder da.«
»Sie brauchen sich nicht zu beeilen. Sehen Sie sich das Lager nur gut an. Es ist wunderbar eingerichtet. Sogar ein kleines Flugzeug gibt es und ein Rennboot.«
»Ein Flugzeug? Unglaublich. Wird es oft benutzt?«
»Nigel zeigt damit Feriengästen Busch und See von oben. Und manchmal fliegt er nach Forest Harbour, um Nachschub fürs Lager zu holen.«
»Die Leute sind recht fortschrittlich! Aber ich nehme an, daß sie gar nicht schlecht verdienen. Die Gegend muß ja Jäger aller Art anlocken! Und angeln kann man zur richtigen Zeit bestimmt auch herrlich!«
Bald hatte Lucia das Lager erreicht. Auf den ersten Blick gefiel es ihr sehr. Auf einer ziemlich weiten Ebene lagen kleine Hütten verstreut, und dazwischen dehnten sich geräumige Zeltplätze; ein großes Gebäude, das vermutlich Küche und Bäder enthielt, bildete zusammen mit einem kleineren Wohnhaus den Abschluß nach rechts. Nur dieses Haus und einer der Bungalows schienen belegt zu sein, und Zelte waren überhaupt nicht aufgeschlagen. Von der Landstraße reichte der Lagerplatz bis zum See, dessen Wasser in kleinen Wellen ruhig auf den sandigen Strand rollte. An einem Landungssteg lag ein Motorboot vertäut; unweit davon ankerte ein kleines Wasserflugzeug.
Linker Hand wuchs dichter Busch bis über die Straße hinunter, und dahinter stiegen fast senkrecht Klippen in geschwungenem Rund zur Hochebene hinter der Tankstelle empor. Es war eine überraschend wilde, malerische Lage für einen Campingplatz, der sich einer so neumodischen Errungenschaft wie eines Flugzeugs rühmen durfte.
>Ein solcher Luxus mußte doch ziemlich kostspielig sein!< dachte Lucia. Ihr fiel ein, daß Onkel Peter einmal erzählt hatte, der Betrieb bestände erst seit vier Jahren. Zweifellos hatten die Besitzer eine Menge Geld hineingesteckt; bestimmt aber zogen sie während der Saison auch manchen zahlungskräftigen Feriengast an — was übrigens auch der Tankstelle >Zum Kreuzweg< zugute kam!
Aus dem bewohnten Bungalow kam ihr Annabel entgegen. Während der Begrüßung hielt sie eisern ihren kleinen Jungen fest, der unbedingt zum Auto wollte. Als er dann feststellte, daß Rosie nicht mitgekommen war, wurde er vor Wut tobsüchtig und warf sich zu Boden. Annabel verlor nicht die Ruhe und meinte gleichmütig: »Ich habe dir doch gleich gesagt, daß Rosie nicht mitkommen würde. Sie mag nun einmal nicht im Auto fahren. Weißt du nicht mehr, wie schrecklich es war, als du einmal Len so lange zugesetzt hast, bis er sie in den Wagen von Herrn Rolfe hob und ihr zu dritt einen Ausflug machtet?«
Lucia verlangte nicht im einzelnen zu hören, in welcher Weise es schrecklich war; nur zu gut konnte sie es sich vorstellen! So versuchte sie, James zu trösten, aber er trat nur noch wütender auf, und seine Mutter sagte: »Kommen Sie nur! Er kommt schon wieder zu sich, wenn wir uns nicht um ihn kümmern. Jim findet ja Schläge angebracht, ich aber lasse ihn einfach links liegen. Darf ich Ihnen unsere Hütte zeigen? Sie ist sehr praktisch und komfortabel.«
Sie traten in ein recht geräumiges Wohnzimmer, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den See hatte; dahinter befanden sich eine Kochnische, ein Duschraum und zu beiden Seiten je ein Schlafzimmer; in einem davon schlief die kleine Eve. »Ich fühle mich schrecklich wohl in diesem niedlichen Heim«, schwärmte Annabel. »War es nicht lieb von den Leuten, uns aufzunehmen — obwohl Frauen außerhalb der Saison gar nicht gern gesehen sind? Nur ein paar Jäger und Angler finden sich zuweilen ein.«
»Welches Glück, daß sich so nahe beim Arbeitsplatz Ihres Gatten ein solches Lager befindet.«
»Andernfalls hätte Jim diese Stelle nicht angenommen. Einer seiner Gründe war ja die Notwendigkeit, mir Luftveränderung zu verschaffen. Der andere war >Raubritter »>Raubritter<. Das ist doch das schwierige Pferd, nicht wahr? Macht es seinem Namen Ehre?«
»Das kann man wohl sagen! Meistens nennt ihn Jim sogar >Räuber< — das ist seinem Temperament noch angemessener — ,
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