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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Hamburg vergleichbar. Kam man dort aus dem Bahnhof, sah man als Erstes in eindrucksvollen Lettern »Das Tor zur Welt« prangen. Entstieg man dem ICE in Köln und verließ das Bahnhofsgebäude durch den Hauptausgang, bot sich dem Auge in Nachkriegsschrift das Wort »Rievkooche« über einer lausigen, nach Fett stinkenden Bude. Dass direkt daneben das stalagmitenartige Turmwerk des Doms in den Himmel wuchs, mutete umso blasphemischer an. Nicht mal ihr Wahrzeichen konnten sie ordentlich präsentieren, sie hatten einfach keinen Stil, die Kölner, und ihr Dialekt besaß die Klasse billiger Schmierwurst.
    Vor allem jedoch hasste Kuhn Köln für das satte Grinsen, mit dem man hier endlich bestätigt sah, was außer den Bewohnern des rheinischen Planeten bis dahin niemand hatte glauben wollen – dass Köln nämlich doch der Nabel der Welt war, der galileische Corpus, um den sich alles drehte. Kein Wort mehr von der Diskrepanz zwischen Außenwirkung und Eigensicht. Köln war in diesem Moment die geheime europäische Hauptstadt, hatte einen Frieden eingesackt, für den die Kölner gar nichts konnten, und gebärdete sich dabei mit einer Jovialität, dass einem anders wurde. Nicht einmal Staatsoberhäupter waren vor der polternden Kumpelhaftigkeit sicher, mit der man sie zur Kenntnis nahm wie Saufkumpane, um weitestgehend unbeeindruckt wieder seinen Geschäften nachzugehen.
    Verfluchtes Köln. Woanders hätte O'Connor nicht Paddy Clohessy getroffen, das Zusammentreffen nicht Kuhns Phantasie in Bewegung gesetzt und er um diese Zeit nicht in eine ihm unbekannte Straße fahren müssen, um nachzusehen, warum Kika Wagner sich nicht meldete. Am Ende würde er dastehen wie ein Idiot. Verlacht und verhöhnt für seine Sorge. Der Welt Lohn.
    Die Ente keuchte an einem Park entlang.
    Der Volksgarten, wie der Plan verriet. Dann kamen wieder Häuser. Offenbar war er so gut wie da.
    Im selben Moment sah er Kikas Golf.
    Er stoppte und blickte hinüber, aber der Wagen war leer. Mit einem adrenalingesättigten Kribbeln in der Leistengegend fuhr er weiter, bis sich eine Lücke auftat. Die Ente passte knapp hinein. Kuhn ließ scheppernd die Tür zufliegen und machte sich auf die Suche nach der Hausnummer achtunddreißig, in der Kika, O'Connor und Clohessy wahrscheinlich bester Laune beim Bier zusammensaßen und sich über ihn totlachen würden.
    Er warf einen Blick auf die Uhr. Fast schon halb eins.
    Die Achtunddreißig erwies sich als ziemlich heruntergekommenes Exemplar vergangener Jahrhundertwendepracht. Kuhn suchte mit zusammengekniffenen Augen die Namensschilder ab. Offenbar wohnte Clohessy im zweiten Stock. Er trat zurück auf die Straße und ließ seinen Blick die Fassade erwandern, aber nirgendwo sah er Licht.
    Sollte er klingeln?
    Unentschlossen lehnte er sich gegen die Eingangstür und stellte verblüfft fest, dass sie nachgab. Das Schloss war herumgeschlossen. Unangenehm berührt, aber zugleich von ungewohntem Abenteuergeist gepackt, schlich er sich ins Treppenhaus und überlegte, ob er Licht machen sollte.
    In einiger Entfernung glühte schwach orange ein Schalter.
    Er entschied sich dagegen. Lichtmachen war unpassend, wenn man in Häuser eindrang, um Verschwörungstheorien nachzugehen. Hatte man je Sean Connery Licht machen sehen?
    Nach wenigen Sekunden gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit.
    Er schlich die Treppen hinauf und schrak bei jedem leisen Knarren der Bohlen unter seinen Füßen zusammen. Auch im zweiten Stockwerk glühte ein Lichtschalter neben einer schemenhaft erkennbaren Flügeltür, die einige Meter rückversetzt in einem kurzen Gang lag.
    Im Augenblick, da er in den Gang hinein und auf den blass leuchtenden Punkt zutappte, hörte er von jenseits der Tür Geräusche. Jemand drückte die Türklinke. Kuhn prallte zurück. Sein ganzer Mut versammelte sich in den Kniekehlen. Mit einem Satz war er im Treppenschacht und huschte die Stufen zum nächsthöheren Stockwerk hinauf, erspähte auf halber Geschosshöhe eine Nische und drückte sich hinein.
    Stimmen erklangen.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte ein Mann mit nervöser Stimme auf Englisch. »Vielleicht liegt es an den Piezos. Der adaptive Spiegel ist empfindlicher als das Zielobjektiv.«
    »Still. Und hör auf, englisch zu sprechen«, sagte der zweite Mann leise auf Deutsch. Seine Stimme klang metallisch kühl und war von einem schwachen slawischen Akzent gefärbt. »Du musst üben, wenn du in einem anderen Land bist.«
    »Natürlich.«
    Sie kamen in Kuhns

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