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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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der Hauptkommissar sehr müde aus.
    »Haben Sie irgendwelche Zeugen«, sagte er beinahe lustlos.
    »Für eine bestimmte Zeit ganz sicher nicht«, bemerkte O'Connor.
    Lavallier seufzte.
    »Und?«, fragte der Physiker. »Sind wir jetzt verhaftet?«
    »Ich kann Sie nicht verhaften. Ich will's auch gar nicht. Ich will nur, dass heute Abend Bill Clinton hier landen kann und in drei Tagen Boris Jelzin und dazwischen all die anderen. Verstehen Sie mein Problem?«
    Wagner nickte.
    »Wenn Liam der wäre, für den Sie ihn gerade halten«, sagte sie, »meinen Sie, wir wären dann zu Ihnen gekommen?«
    Lavallier zuckte die Achseln. Offenbar tat es ihm jetzt schon leid, dass er einen Moment lang schwach geworden und ihnen Einblick in seine Sorgen gegeben hatte.
    »Bleiben Sie weiterhin zu meiner Verfügung«, sagte er kühl. »Was Sie, Dr. O'Connor, betrifft, so muss ich Sie bitten, das Flughafengelände nicht zu verlassen, bis ich es Ihnen erlaube.« Er machte eine Pause. »Ich habe keine rechtliche Handhabe dazu. Sie können beide gehen, ich kann Sie nicht zwingen, hier zu bleiben. Ich kann Sie nur bitten.«
    O'Connor kaute an seiner Unterlippe.
    »Einverstanden«, sagte er.
    »Ich werde nicht bleiben können«, sagte Wagner. »Aber ich bin erreichbar. Ist das okay? Kann ich gehen?«
    Ich will gar nicht gehen, dachte sie. Ich will nicht weg von dir, Liam, nicht in dieser Situation. Nein, falsch, in keiner Situation. Ich will überhaupt nicht mehr weg von dir.
    Sie sah ihn an und fing einen Blick von ihm auf. Er schien zu sagen, fahr und mach dir keine Sorgen. Das alles hier ist Teil des Spiels. Wir machen nur ein bisschen Spaß, Lavallier und ich. Spielen Räuber und Gendarm. Wenn wir uns heute Abend wiedersehen, wirst du feststellen, dass ich das Spiel für uns gewonnen habe.
    Sie streckte die Hand nach ihm aus.
    Im selben Moment klingelte ihr Handy.
    Atemlos zerrte sie es hervor und drückte auf Empfang.
    »Silberman«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung.
SPEDITION
    Als Jana mit schnellen Schritten durch die Halle zu ihm herüberkam, wusste Kuhn, dass er verloren hatte. Er konnte es in ihren Augen lesen. Unwillkürlich schlang er den freien Arm um seinen Körper und zog den Kopf zwischen die Schultern.
    Sie blieb vor ihm stehen.
    »Du hast gelogen«, sagte sie.
    Es klang weder verärgert noch sonderlich erstaunt. Jana traf eine sachliche Feststellung. Kuhn schätzte, dass sie ihn jetzt ebenso sachlich ins Jenseits befördern würde. Er wunderte sich, dass sie nicht voller Zorn auf ihn einschlug wie am Morgen.
    »Ja, ich habe gelogen«, sagte er müde. »Und? Was macht das für einen Unterschied?«
    Sie musterte ihn.
    »Für mich macht es einen. Du hast deinen Freunden eine Nachricht übermittelt. Wie es aussieht, wissen sie nicht viel damit anzufangen, aber das könnte sich natürlich ändern.« Sie machte eine Pause. »Kuhn, du bist ein armseliger Idiot. Ich hatte dir einen fairen Handel vorgeschlagen, dein Leben gegen die Wahrheit, aber du ziehst es vor, den Helden zu spielen. Lächerlich. Du bist kein Held, hat dir das noch keiner gesagt?«
    Ein Lachen gluckste in Kuhns Kehle hoch.
    »Seid ihr denn welche?« Plötzlich war ihm alles egal. »Wir tun uns nicht viel, was Heldenhaftigkeit angeht. Es gibt in dieser ganzen Geschichte keinen einzigen richtigen Helden, also was erwarten Sie von mir?«
    Kurz zuckte es in Janas Zügen.
    »Es war dumm«, sagte sie.
    »Es war nicht dumm. Ich versuche, am Leben zu bleiben, das ist alles. Was hätten Sie an meiner Stelle getan?«
    »Kooperiert.«
    »Sie hätten nicht kooperiert«, sagte Kuhn. »Sie wissen ganz genau, dass die SMS meine einzige wirkliche Chance war.«
    »Gratuliere«, höhnte sie. »Und? Jetzt hast du gar keine mehr. Du wolltest schlau sein, stattdessen wirst du sterben, angekettet an ein rostiges Rohr.«
    Kuhn senkte den Kopf. Seine Angst wurde überschattet von einer tiefen Traurigkeit, dass es so enden musste. Er schlang den Arm noch fester um sich, hielt sich tröstend umfasst und spürte, wie seine Kinnlade zu beben begann. Die Terroristin betrachtete ihn unverwandt. Dann sagte sie plötzlich:
    »Du bist einsam.«
    Er sah auf und schwieg.
    »Einsame Entscheidungen sind entweder die klügsten oder die dümmsten.« Jana wies mit einer Handbewegung auf das Schienengefährt in der Mitte der Halle. »Das Ding da einzusetzen, ist eine sehr einsame Entscheidung. Ob klug oder dumm, wird sich herausstellen. Ich gehe Risiken ein, von denen du dir keine Vorstellungen

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