Lautlos
Geschichte macht mir große Sorgen. Ich fürchte nur, ich werde Ihnen kaum weiterhelfen können.«
»Wie sagt die Polizei so schön?«, grinste O'Connor. »Jede Kleinigkeit kann weiterhelfen.«
Silberman lächelte sein freundliches, breites Lächeln.
»Nun, Zeit habe ich mitgebracht«, sagte er. »Wir können immerhin unseren Verstand bemühen. Ich wäre sowieso in zwei Stunden hier gewesen.«
»Stimmt, Sie sind ja akkreditiert. Wann kommt denn eigentlich der POTUS?«
POTUS war die geläufige Bezeichnung für den amerikanischen Präsidenten. Besonders Journalisten, die CIA und der Secret Service wussten das zu schätzen. Es ging schneller, mehrmals hintereinander POTUS zu sagen als jedes Mal President Of The United States.
»Die planmäßige Ankunft ist für zwanzig nach sieben vorgesehen«, sagte Silberman. »Bei Clinton weiß man das nie so genau. Er liebt kleine Überraschungen.« Er nahm einen Schluck von seinem Tonic Water. »Wie auch immer, er ist der Präsident. Zeigen Sie mir doch mal diese Nachricht, die Kuhn geschickt hat.«
O'Connor reichte ihm den Zettel mit der Abschritt. Silberman las sie mit gerunzelten Brauen. Seine Lippen bewegten sich ohne Ton.
»Klingt bedrohlich.«
»Ich pflichte Ihnen bei. Irgendwelche spontanen Assoziationen?«
»Warten Sie mal. Jemand schießt. Es wird geschossen, um Hilfe gerufen, und Kuhn ist in dieser Wohnung, also wird er bedroht oder ist Zeuge, wie jemand bedroht wird.«
»So weit waren wir auch schon. Was ist mit dem Rest?«
»Ich muss gestehen, das sagt mir gar nichts.«
»Mir aber schon.«
»Ach!«, staunte Silberman. »Und was?«
»Ich weiß es nicht.«
Der Korrespondent runzelte die Stirn.
»Moment. Haben Sie nicht gerade …«
»Doch! Idiotisch, was? Jedes Mal, wenn ich draufschaue, weiß ich, es ist etwas völlig Vertrautes. Wie ein Gesicht, das man hundertmal gesehen hat, ohne sich erinnern zu können, wo.« O'Connor stürzte die Hälfte seines Biers herunter und wischte sich den Schaum von der Oberlippe. »Puh, grauenhaft! Wissen Sie, Aaron, ich starre auf diese Buchstaben, und sie sagen: Warm, Liam. – Ganz warm. – Heiß! – Die Lösung aller Fragen steht auf diesem Blatt Papier, und ich kann sie nicht lesen.«
»Na ja.« Silberman drehte den Zettel zwischen seinen Fingern. Dann las er die Nachricht ein weiteres Mal. »Kuhn hat sich hier und da verschrieben. Ein Zeichen, dass er unter Stress stand.«
»Er hat Wohnung falsch geschrieben und wahrscheinlich auch Spiegel. Irgendwas mit Spiegeln kommt darin vor. Und ein Objektiv. Aber das ist nicht wirklich von Bedeutung.«
»Was ist hiermit? Derjak schießt?«
»Könnte der Schlüssel sein. Möglich.«
»Also wäre die Frage, wer Derjak ist. Was sagt denn die Polizei?«
»Oh, sie entwickelt eine ganz erstaunliche Phantasie.« O'Connor lachte freudlos. »Mittlerweile bin ich der Buhmann.«
»Sie? Wieso denn Sie?«
O'Connor erzählte es ihm.
»Und was glauben Sie, wird passieren?«, fragte Silberman, ohne auf die Frage nach O'Connors Schuld oder Unschuld einzugehen.
O'Connor sah ihn an.
»Liegt das nicht auf der Hand? Hier am Flughafen ist was faul, und was da stinkt, ist nicht nur der gute alte Paddy. Darum haben sie mich kaltgestellt. Damit ich ihnen nicht weiter in die Quere komme.«
»Augenblick. Wer sind sie?«
»Na, sie halt! Die Leute, die Paddys Anwesenheit eingefädelt haben. Denen Kuhn auf die Spur gekommen ist.«
»Ich bin beeindruckt«, sagte Silberman und sah ganz so aus. »Eine waschechte Verschwörungstheorie! Kann es sein, dass die Iren eher aus Amerika stammen?«
»Das können wir gern diskutieren«, erwiderte O'Connor heiter. »So lange, bis wir alle in die Luft geflogen sind.«
Silberman zögerte. »Sie meinen das ernst, nicht wahr?«
»Ja. Aber statt der Sache nachzugehen, drangsaliert mich dieser Kommissar mit völlig aus der Luft gegriffenen Verdächtigungen.«
»Sie sind nicht aus der Luft gegriffen, wenn ich mir erlauben darf, das zu bemerken. Mit einem solchen Schreiben in der Hand, wie man es bei Paddy gefunden hat, wüsste ich auch nicht mehr, was ich noch glauben soll.«
»Mir glaubt er jedenfalls nicht.«
»Nun ja.« Silberman breitete die Hände aus. Es hatte etwas Pastorales. »Vielleicht denkt er, dass jemand, der das Licht umleiten kann, auch in der Lage ist, die Wahrheit zu verbiegen. Aber gut, nehmen wir Ihren Bericht als Tatsache. Dann stellt sich mir Folgendes dar. Sie treffen Clohessy wieder, der aber nicht mehr so heißt und wenig
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