Lautlos
Eintracht.
Links vom Zelt zur Lärmschutzhalle hin war ein separater Bereich abgeteilt worden. Auch hier erhoben sich zwei Zelte, die kleiner und der Presse vorbehalten waren. Die Absperrungen, die das komplette Vorfeld umgaben und nur die Front des VIP-Zelts offen ließen, knickten hier diagonal ab und endeten an der Flanke der Lärmschutzhalle. Auf diese Weise hatte man für die Journalisten eine Fläche zum Rollfeld hin geschaffen, auf der sich Fotografen und Korrespondenten seit Gipfelbeginn auf die Füße traten, wann immer hoher Besuch zu erwarten war.
Hinter dem VIP-Zelt wuchs der neue Tower in den Himmel. Dazwischen verlief die Straße, über die Clintons Wagenkolonne den Flughafen verlassen würde.
Zwanzig Minuten zuvor würden die zuständigen SEKs damit beginnen, die komplette Autobahn und die darüber laufenden Brücken zu sperren. Es hatte eine Heidenlogistik erfordert, alle relevanten Bereiche in Köln zu sichern. Allein, was sie am Flughafen auf die Beine gestellt hatten, übertraf alles Dagewesene seit dem Besuch von Präsident Johnson, und der lag immerhin Jahrzehnte zurück.
Besonders an den Vorfeldabsperrungen hatten sie lange getüftelt.
Jetzt war alles perfekt. Um in die Pressezelte und ins VIP-Zelt zu gelangen, musste man von der Heinrich-Steinmann-Straße zuerst auf einen riesigen gesicherten Parkplatz und dann durch separate Checkpoints. Die Presseleute betraten das Gelände durch einen Container, in dem sie abgetastet, überprüft und ihre Geräte einem Röntgengerät überantwortet wurden. Danach passierten sie eine Detektorsperre, nahmen ihre metallenen Gegenstände und die Ausrüstung wieder in Empfang und durften über den angrenzenden Rasen zu den Pressezelten gehen. Den Gästen des VIP-Bereichs hatte man einen prosaischen Kasten wie den Checkcontainer nicht zumuten wollen und stattdessen ein schmuckes Zelt in die Phalanx der Gitter eingefügt, wo man sich höflich, aber bestimmt der authentischen Person des Eintretenden versicherte, bevor man ihn auf den kurzen Pfad über die Wiese zum Zelt entließ. Jenseits des Checkpoints trennte eine Absperrung die VIPs von den Presseleuten. Es hatte ein wenig den Augenschein von Klassentrennung, aber tatsächlich war es besser so. Man hatte Pressetourismus vermeiden wollen, wo Vertreter des Auswärtigen Amts mit Sicherheitsleuten und Diplomaten das eine oder andere besprechen würden, was man tags darauf nicht unbedingt in der Zeitung wieder finden wollte, und außerdem war ein VIP ohne Exklusivität kein VIP mehr.
Lavallier dachte an die eben zurückliegende Besprechung und fluchte leise vor sich hin.
Er hatte im Container eine zweite Krisensitzung einberufen. Von dem verschwundenen Lektor fehlte nach wie vor jede Spur, ebenso von Patrick Clohessy. Mehr und mehr schien sich die Sache als Gerangel unter separatistischen Iren zu entpuppen. Dennoch blieb die gespenstische Vision eines potentiellen Innentäters. Innentäter waren ein Alptraum, und Clohessy schickte sich mehr und mehr an, Lavalliers ganz persönlicher Alptraum zu werden. Zu allem Überfluss war auch noch dieser White-House-Journalist aufgetaucht, mit dem O'Connor im Holiday Inn an der Bar herumgehangen hatte, und hatte ihnen eine abenteuerliche Theorie aufgetischt. Er hatte nicht ganz nüchtern gewirkt, und was er sagte, klang schwer nach O'Connor im fortgeschrittenen Stadium, aber das hatte Lavallier nicht unbedingt ermutigt.
Die Serben wollten Clinton töten. So weit die Essenz.
Konnte man O'Connor trauen?
Sie hatten den Physiker auf Herz und Nieren überprüft und mit Hilfe der Dubliner einen lückenlosen Lebenslauf zusammengetragen. Lavallier wusste gut genug, dass Intellektualität und Berühmtheit nicht automatisch mit Ehrbarkeit einhergingen, aber O'Connor schien tatsächlich über jeden Zweifel erhaben. Seine gelegentlichen Ausfälle ergaben eher ein clowneskes Bild. Nachweislich gab es Frauen, die offen geäußert hatten, ihn umbringen zu wollen. Kriminelleres gab es über den irischen Doktor ansonsten nicht zu sagen. Unterm Strich entpuppte sich O'Connor als Freigeist ohne politische Ambitionen, zu dem Clohessys Brief einfach nicht passen wollte.
Falls Clohessy ihn überhaupt geschrieben hatte.
Dass jemand versuchen sollte, O'Connor in Misskredit zu bringen, bereitete Lavallier die meisten Bauchschmerzen. Welchen Sinn sollte das haben? Um seine Glaubwürdigkeit zu untergraben? Um davon abzulenken, dass O'Connor Recht hatte mit seinen Verschwörungstheorien?
Dann
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