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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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wie Vieh vertrieben und viele abgeschlachtet wurden. Meine Mutter weilte zu der Zeit dort. Sie und meine Großmutter sind von kroatischen Militärs erschossen worden.« Sie machte eine Pause. »Ich konnte nichts tun. Ich konnte mich bei meiner Mutter nicht für meine Verachtung entschuldigen, und mein Vater hatte sich aufgehängt, weil er damit nicht fertig wurde.«
    Jana schien in sich hineinzublicken.
    »Ich dachte, wenn ich im Kosovo verhindere, was in der Krajina passiert ist, mache ich was gut. Die haben mich gern genommen bei den Paramilitärs, mit meinem Studium und meiner militärischen Ausbildung. Aber sie taten da auch nichts anderes als die Kroaten. Ich wollte Gerechtigkeit, keine Säuberungen. Wir lebten wie die Fürsten und handelten wie die Barbaren. Also beschloss ich, eine bewaffnete Opposition aufzubauen, die alles besser macht. So etwas wie eine gemäßigte PLO oder IRA, die gezielt kämpft, ohne Massenmord zu begehen. Dazu brauchte ich Geld. Ich war eine ausgezeichnete Schützin und dachte, wenn ich ein paar Aufträge annehme, irgendwas, dann kann ich die Sache finanzieren. Ich erledigte einen Job für den Mossad, tötete in Syrien einen Industriellen für einen Konzern, liquidierte in Russland einen General. Dieser dritte Auftrag war, als hätte ich eine Tür aufgestoßen. Das Geschäft begann lukrativ zu werden, ich wurde reich, und Milošević fing einen Krieg an. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ich mein Land geliebt, und nun verlor ich jeden Glauben. Ich tat nichts. Was hätte ich noch ändern sollen mit meiner kleinen Armee?«
    Wagner hörte ihr zu und war wider Willen gefesselt.
    »Also sind Sie geblieben, was Sie waren«, sagte sie verächtlich. »Eine Killerin.«
    »Die beste. Weltklasse. Im Ideal gescheitert, aber auf sehr erlesenem Standard. Ich bin steinreich, Mädchen. Das Leben war nicht nur schlecht. Aber dafür ziemlich sinnlos.«
    »Und Clintons Tod hätte das geändert?«
    »Es hätte mich befreit.«
    »Mein Gott!« Wagner schüttelte den Kopf. »Sie glauben das wirklich. Warum haben Sie mir das alles erzählt?«
    »Ich habe es nicht dir erzählt.« Jana schien kurz nachzudenken. Ein Lächeln zog über ihr Gesicht. »Übrigens, ich heiße Sonja. Sonja Cośic. Das ist mein Name.«
    »Es interessiert mich nicht, wie Sie heißen«, sagte Wagner voller Trotz, obschon ihr andere Worte auf der Zunge lagen.
    Jana zuckte die Achseln.
    »Mag sein«, sagte sie im Hinausgehen. »Aber mich.«
MIRKO
    Fliehen.
    Natürlich konnte er sich einfach aus dem Staub machen. Es war unkomfortabel auf dem Dach. Idiotisch.
    Aber fliehen? Mit welchem Resultat? Abhauen, obwohl die einzigen Menschen, die ihm gefährlich werden konnten, in dieser Halle saßen und wahrscheinlich verwirrt und demoralisiert waren?
    Die Amerikaner würden ihn jagen. Man würde ihn zum meistgesuchten Verbrecher der USA erklären. Mit seiner Entlarvung wurde er auch für das Trojanische Pferd zum untragbaren Risiko. Sofern ihn die CIA oder Interpol nicht erwischten, würden ihm die Leute des Alten eben den Fangschuss verpassen. Es mochte ein paar Winkel auf der Welt geben, wo er in Sicherheit würde leben können. Aber was sollte er in Grönland, in Ecuador oder im Senegal ohne einen Cent?
    Berauschende Aussichten.
    Mitunter drangen aus der Halle gedämpfte Stimmen und Geräusche an sein Ohr. Es war unmöglich auszumachen, was dort vor sich ging. Der Himmel hatte sich verdunkelt. Wo die Sonne untergegangen war, verteilte sich noch milchiges Licht. Mehrfach waren Helikopter in unmittelbarer Nähe vorbeigeflogen. Bisher hatten sie ihn nicht entdeckt, aber der Ring zog sich zu. Mit jeder Sekunde, die verstrich, verringerte sich seine Chance, das Problem zu lösen. Er durfte nicht länger warten.
    Wieder und wieder wälzte er den Gedanken, wie er am besten hineingelangte, ohne sofort von Jana liquidiert zu werden. Es half alles nichts, er würde ins Innere stürmen müssen und niederschießen, wer und was sich ihm in den Weg stellte. Es war geradezu peinlich, grob und unelegant. Vor allem hatte es zur Konsequenz, dass er mit seiner Waffe auf die Geiseln schießen musste. Aber gut, auch das ließ sich hinterher korrigieren. Ein bisschen mühsam halt, seine Fingerabdrücke abzuwischen und Janas auf der Waffe zu platzieren. Die Ballistiker würden herausfinden, dass es seine Waffe war, aber dann konnte er immer noch zu Protokoll geben, er habe sie an Jana verloren während der Schießerei. Irgendetwas würde ihm einfallen, das

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