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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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und Friedensplänen herumschlagen, was?«
    Die Schauspielerin lachte mit.
    »Es weiß ja ohnehin keiner, worum es auf dem Balkan überhaupt geht«, sagte sie. »Also, ich hab schon vor Jahren den Überblick verloren. Moslems, Nichtmoslems, für mich sind das alles Barbaren.«
    Stille senkte sich herab.
    Die Dezernentin hüstelte.
    »Na, ich bitte Sie!«, entrüstete sich die Schauspielerin. »Finden Sie, dass die sich wie zivilisierte Menschen benehmen? Ich weiß gar nicht, warum wir uns da einmischen. Wenn die sich die Köpfe einschlagen wollen, sollen sie es meinethalben tun, aber doch nicht mit unseren Steuergeldern.«
    Der Vorstand sah sie an wie eine Schwachsinnige.
    »Habe ich Sie in dieser bescheuerten Serie, die Ihre besten Jahre kommen und gehen sah, nicht etwas anderes sagen hören?«, fragte er. »Man müsse helfen und dürfe nicht tatenlos zusehen?«
    »Aber Sie haben doch gerade selbst …«, stammelte sie.
    »Ich habe gesagt, dass es angenehmere Themen gibt! Nicht mehr und nicht weniger.«
    Sie starrte ihn feindselig an. »Und ich bekomme Drehbücher vorgelegt. Na und? Mein Gott, Kosovo! Ich verstehe gar nichts davon, und ich will auch nichts davon verstehen. Man muss nicht alles verstehen. Ich finde, wir sollten uns da raushalten. Haben wir nicht genug eigene Probleme?«
    »Ja. Scheint mir allerdings auch so.«
    »Drehbücher«, murmelte der Buchhändler.
    O'Connor beugte sich vor und strahlte sie an.
    »Lassen Sie sich nicht ärgern«, sagte er. »Ich finde, Sie haben es in doppelter Hinsicht auf den Punkt gebracht«
    »Wirklich?«, lächelte sie.
    »Aber ja. Erstens die Frage, warum wir uns einmischen. Gute Frage. Zweitens, dass Sie es nicht beantworten können, weil Sie nichts davon verstehen.«
    Sie lächelte weiter. Nur ihr Blick ließ Zweifel daran erkennen, ob es die passende Reaktion zur Äußerung war.
    Der Vorstand paffte und grinste.
    »Manuel Azaña meinte, wenn jeder Spanier nur über das urteilen würde, was er wirklich weiß, herrschte eine große Stille, die man zum Lernen nutzen könnte«, sagte er gebildet.
    »Azaña?«, echote die Schauspielerin.
    »Spanischer Ministerpräsident der Dreißiger.«
    »Wir sind aber doch in Deutschland.«
    »Ach!«
    »Nun, wie auch immer«, sagte der Buchhändler nach einer Pause. »Das müssen wir ja jetzt nicht ausdiskutieren. Kosovo, tragisch, aber genug davon. Das hatten wir nun wochenlang.« Er sagte es wie jemand, der auf den Hinterhof blickt und feststellt, dass irgendjemand dringend mal den Sperrmüll kommen lassen müsste.
    »Wollen wir bestellen?«, schlug Wagner vor.
    »Nur einen Augenblick, wenn Sie gestatten.« Die Kulturdezernentin lächelte O'Connor freundlich an. »Mich würde schon interessieren, was Sie so denken, Dr. O'Connor.«
    »Ich denke, ich nehme den Loup de Mer und vorher den Salat von Steinpilzen und Gambas«, sagte O'Connor und hob sein Glas. »Einen Toast auf Sie alle. Mir ist soeben klar geworden, dass ich dem Gipfel bereits beiwohne.«
    »Nein, pardon … ich meine, wie Sie über diesen Krieg denken.«
    »Warum nicht?« O'Connor legte die Fingerspitzen aufeinander. »Es berührt mein Arbeitsgebiet.«
    »Licht?«
    »Nein, Sprache. Ich denke, es ist kein Krieg.«
    »Kein Krieg?« Die Dezernentin wirkte verdattert. »Das müssen Sie mir erklären.«
    »Oh, dazu bin ich nicht prädestiniert«, sagte O'Connor bescheiden. »Ich verstehe nichts von Politik. Die Nato müsste es erklären.«
    »Dass es kein Krieg ist?«
    »Jamie Shea spricht immer nur von Luftangriffen. Würde er von Krieg sprechen, müsste er verbindlich die Rechtsgrundlage dieses Krieges erläutern. Offenbar kann er das nicht und tut es nicht, also ist es kein Krieg.«
    »Was denn sonst? Da fallen Bomben.«
    »Nun, es ist kein Angriffskrieg, richtig? Alle beteiligten Nationen unterhalten Verteidigungsministerien, keine Angriffsministerien, also kann es kein Angriffskrieg sein.«
    »Hm«, machte die Dezernentin. »Richtig.«
    »Bleibt der Verteidigungskrieg. Wir müssen uns aber nicht verteidigen. Jugoslawien hat ja keinen von uns angegriffen. Richtig?«
    »Auch richtig.«
    »Ja, aber – wie sollen wir es dann nennen?«
    »Wie wär's mit Intervention?«, meinte Kuhn. »Ich nehme übrigens die Kartoffelsuppe und das Rumpsteak.«
    »Ja, so nennen es alle«, sagte O'Connor. »Intervention. Nun, ich bin politisch ein ausgemachter Schafskopf. Pardon, aber was heißt das? So etwas wie eine Polizeiaktion gegen verbrecherische Aktivitäten?«
    »Vielleicht.«
    »Aber die

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