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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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fortgeschritten ist."
    "Aber ... wie kann das sein?" Ungläubig sah Anna den Arzt an.
    "Das kann man nicht sagen. Viele Krebsarten entstehen, ohne dass es eine Ursache dafür gibt."
    Die Stimme des Arztes klang völlig ruhig. Stella brachte dies noch mehr in Rage. Wie konnte dieser Weißkittel so ruhig da sitzen und so etwas Schlimmes sagen?
    "Wie haben Sie das festgestellt? Wie können Sie so sicher sein?" Stellas Stimme klang forscher als beabsichtigt. Der Schock über die Nachricht hatte ein Gefühlschaos in ihr ausgelöst, von Verzweiflung und Ungläubigkeit bis hin zu Zorn. Zorn auf den Arzt, der einfach behauptete, ihre Mutter könnte Krebs haben!
    "Das Blut Ihrer Mutter weist stark erhöhte Tumormarker auf. Das allein wäre nicht hundertprozentig aussagekräftig, deutet mit der vergrößerten Leber allerdings auf eine Krebserkrankung hin." Dr. Werneck hob beim Anblick der verstörten Gesichter von Anna und Stella beschwichtigend die Hände. "Was wiederum nichts Schlimmes bedeuten muss, denn es kann auch ein gutartiges Gewächs sein, dass sich behandeln lässt. Es besteht also sehr wohl noch Hoffnung. Außerdem haben wir generell bei Krebserkrankungen schon sehr viele gute Therapien."
    Anna hatte sich zurückgelehnt und hörte den Ausführungen des Arztes zu. Dr. Werneck erklärte die Therapiemöglichkeiten, Heilungschancen und Prognosen. Als er ging, sahen sie und Stella sich an, sprachlos vor Entsetzen.
    "Was denkst du?", brach schließlich Anna das Schweigen.
    Stella straffte die Schultern und blickte ihre Mutter mit funkelnden Augen an. "Ich denke, dass er sich irrt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du Krebs hast. DU, wo du immer gesund warst, nie geraucht und auch sonst nicht Schindluder mit dem Körper getrieben hast!" Sie war aufgebracht und zornig, dass Dr. Werneck es gewagt hatte, so eine Diagnose auch nur in Betracht zu ziehen.
    Anna schwieg. Sie ließ Stellas Wuttiraden auf Ärzte und Krebserkrankungen ungerührt auf sich niederprasseln. Sie wusste, dass Stella sehr impulsiv und emotional sein konnte. Sie wusste auch, dass sie sich genau so schnell wieder in ein ruhiges, zahmes Lämmchen verwandeln konnte.
     
     
    Anna
     
    Die erste Nacht im Krankenhaus, gefühlsmäßig Tausende Kilometer von zu Hause weg, verbrachte sie einsam und verlassen. Sie fühlte sich verlassen von Johann, der gestorben war, von ihrer Gesundheit, die nicht mehr mitspielen wollte, und von ihren Kindern, auch wenn die nur räumlich weg waren.
    Stella war erst spät Abends gegangen. Die Schwestern hatten erlaubt, dass sie auch über die Besuchszeit hinaus bleiben durfte. So hatten Mutter und Tochter noch Stunden im Gespräch verbracht und sich an den Händen gehalten. Noch immer war es ihnen schwer gefallen, der Diagnose Glauben zu schenken. Die Untersuchung am nächsten Tag würde schon die Wahrheit ans Licht bringen, dessen war sich Anna sicher. Die Ärzte würden schon noch merken, dass es nur eine Lappalie war.
    Nächtliche Geräusche drangen in Annas Zimmer - Straßenlärm, ein fernes Martinshorn, das stetig näher kam, und vom Gang her waren Schritte zu hören. Trotz ihres Alters war Anna noch mit einem guten Gehör gesegnet. Auch ihre Augen leisteten noch gute Dienste, außer die Schrift in der Zeitung war gar so klein. Sie wusste, dass es ein wahrer Segen war, denn sie kannte viele gleichaltrige, aber auch jüngere, die sich mit Brille und Hörgeräten herumschlagen mussten.
    Die vielen nächtlichen Geräusche störten Anna. Zu Hause war es viel ruhiger. Und auch dunkler. Das Licht, das von den Straßenlaternen und umliegenden hohen Gebäuden hereinfiel, störte sie.
    Sie stand auf, um die Vorhänge zu schließen, musste jedoch feststellen, dass es keine gab. Aber sie fand eine Kurbel, um das Rollo herunter zu lassen. Mühsam plagte sie sich im Halbdunkel ab, bis schließlich kein Lichtstrahl mehr herein drang. Vorsichtig tapste sie mit ihren dicken Wollsocken zum Bett zurück, legte sich hin und deckte sich zu.
    Eine Stunde lang wälzte sich Anna von einer Seite auf die andere, dann endlich kam der Schlaf über sie und entführte sie in die Traumwelt.
     
    Sie konnte fliegen. Sie fühlte sich so leicht und hob sachte vom Boden ab. Das weiße Krankenhausnachthemd mit den blauen Punkten flatterte sanft im Wind. Wellenartig hob und senkte sich der robuste Stoff.
    Sie flog durch das Fenster hinaus in die helle Sonne, die den Mond vertrieben hatte. Unter sich sah sie das riesige Gelände des Krankenhauses. Doch

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