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Leb wohl! (German Edition)

Leb wohl! (German Edition)

Titel: Leb wohl! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hineinzutauchen und sie jäh zurückzuziehen, als wollte sie das Wasser, das sie aufgesogen hatten und das, von den Lichtstrahlen durchleuchtet, zwei Rosenkränzen aus Perlen glich, Tropfen für Tropfen niederrinnen sehen.
    »Diese Frau ist wahnsinnig!« rief der Rat.
    Ein heiserer Schrei erscholl; Genoveva hatte ihn ausgestoßen; er hallte wider und schien für die Unbekannte bestimmt zu sein, die sich lebhaft aufrichtete und ihr Haar zu beiden Seiten des Gesichts zurückwarf. In diesem Augenblick konnten der Oberst und d'Albon deutlich die Züge dieser Frau sehen, die nun, als sie die beiden Freunde bemerkte, mit der Leichtigkeit einer Hirschkuh in wenigen Sätzen ans Gitter gelaufen kam. »Leb wohl!« sagte sie mit sanfter und harmonischer Stimme, aber ohne daß diese Melodie, auf die die Jäger ungeduldig geharrt hatten, die geringste Empfindung oder den geringsten Gedanken zu verraten schien.
    Herr d'Albon bewunderte die langen Wimpern ihrer Augen, ihre dichten schwarzen Brauen, eine Haut von blendender Weiße und ohne die geringste rote Schattierung. Nur kleine blaue Adern durchschnitten ihren weißen Teint. Als der Rat sich zu seinem Freund umwandte, um ihm zu sagen, welches Staunen ihm der Anblick dieser sonderbaren Frau einflöße, sah er ihn wie tot im Grase hingestreckt liegen. Der Rat feuerte seine Flinte ab, um Leute herbeizurufen, und rief: »Zu Hilfe!«, indem er den Obersten wieder aufzurichten versuchte. Bei dem Schall des Schusses entfloh die Unbekannte, die reglos stehen geblieben war, mit der Geschwindigkeit eines Pfeils; wie ein verwundetes Tier stieß sie Schreckensrufe aus und drehte sich unter den Zeichen tiefsten Entsetzens auf der Wiese im Kreise herum. Herr d'Albon hörte auf der Straße nach L'Isle-Adam eine Kalesche rollen, und er ging die Vorüberfahrenden um Hilfe an, indem er mit dem Taschentuch winkte. Der Wagen nahm sofort die Richtung auf das Klostergebäude zu, und Herr d'Albon erkannte in ihm Herrn und Frau von Granville, seine Nachbarn, die sich beeilten, ihr Gefährt zu verlassen und es dem Richter anzubieten. Frau von Granville hatte zufällig ein Riechsalzfläschchen bei sich, das man Herrn von Sucy an die Nase hielt. Als der Oberst die Augen aufschlug, richtete er sie auf die Wiese, wo die Unbekannte noch immer schreiend umherlief. Ihm entschlüpfte ein unverständlicher Ausruf, der eine Empfindung des Grauens verriet; dann schloß er die Augen wieder und machte eine Bewegung, als bäte er seinen Freund, ihn diesem Schauspiel zu entreißen. Herr und Frau von Granville stellten dem Rat frei, über ihren Wagen zu verfügen, indem sie ihm liebenswürdig sagten, sie wollten ihre Spazierfahrt nunmehr zu Fuß fortsetzen. »Wer ist denn diese Dame?« fragte der Richter, indem er auf die Unbekannte deutete. »Man nimmt an, daß sie aus Moulins kommt«, erwiderte Herr von Granville. »Sie nennt sich Gräfin von Vandieres; man sagt, sie sei wahnsinnig; aber da sie erst seit zwei Monaten hier ist, so könnte ich Ihnen nicht für die Wahrheit dieses Geredes bürgen.« Herr d'Albon dankte Herrn und Frau von Granville und brach nach Cassan auf.
    »Sie ist es!« rief Philipp, als er wieder zum Bewußtsein kam. »Wer, sie?« fragte d'Albon. Stephanie ... Ach, tot und am Leben, am Leben und wahnsinnig! ... Ich glaubte, ich müßte sterben.«
    Der vorsichtige Richter erkannte den Ernst der Krisis, der sein Freund verfallen war, und hütete sich, ihn zu fragen oder zu reizen. Er sehnte sich ungeduldig danach, sein Schloß zu erreichen, denn die Veränderung, die sich in den Zügen und in der ganzen Erscheinung des Obersten vollzog, ließ ihn befürchten, daß die Gräfin mit ihrer furchtbaren Krankheit Philipp angesteckt hätte. Sobald der Wagen die Allee von L'Isle-Adam erreichte, schickte d'Albon den Lakaien zum Arzt des Ortes, so daß der Doktor in dem Augenblick, als der Oberst zu Bett gebracht worden war, auch schon an seinem Kopfkissen saß.
    »Wenn der Herr Oberst nicht fast nüchternen Magens gewesen wäre,« sagte der Chirurg, »so wäre er tot. Seine Erschöpfung hat ihn gerettet.« Nachdem er die ersten Vorsichtsmaßregeln, die zu treffen waren, angeordnet hatte, ging er hinaus, um selbst einen beruhigenden Trank zu bereiten. Am folgenden Morgen ging es Herrn von Sucy besser; der Arzt hatte selbst bei ihm wachen wollen. »Ich will Ihnen gestehen, Herr Marquis,« sagte der Doktor, »daß ich eine Verlegung des Gehirns gefürchtet hatte. Herr von Sucy hat eine heftige Erschütterung

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