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Leb wohl! (German Edition)

Leb wohl! (German Edition)

Titel: Leb wohl! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aufgegebene Wagen, Biwake, kurz, eine ganze improvisierte Stadt vorfanden. Das Dorf Studjanka war völlig zerlegt, zerteilt und von den Höhen in die Ebene geschafft worden. So kläglich und verderblich diese Lagerstadt war, so zeigten doch ihr Elend und ihre Gefahren diesen Leuten noch ein freundliches Lächeln, denn sie sahen nichts als die schrecklichen Weiten Rußlands vor sich. Kurz, es war ein ungeheures Spital, das nicht mehr als zwanzig Stunden Dauer vor sich hatte. Lebensmüdigkeit oder ein Gefühl unerwarteten Wohlseins machte die Scharen jedem andern Gedanken als dem der Ruhe unzugänglich. Obgleich die Artillerie des linken russischen Flügels unablässig auf die Masse schoß, die sich wie ein großer bald schwarz zusammengedrängter, bald flackernder Fleck auf dem Schnee abzeichnete, schienen der erstarrten Menge die unermüdlichen Kugeln nicht mehr zu bedeuten als eben wiederum eine Unbequemlichkeit. Sie wirkten wie ein Gewitter, dessen Blitz, von aller Welt verachtet, hier und da nur Sterbende, Kranke oder vielleicht Tote treffen konnte. Unaufhörlich trafen die Nachzügler in Gruppen ein. Die wandelnden Leichen verteilten sich sofort und gingen von Feuer zu Feuer, um einen Platz zu erbetteln; und da sie meistens abgewiesen wurden, so fanden sie sich schließlich wieder zusammen, um die Gastfreundschaft, die man ihnen versagte, mit Gewalt zu erzwingen. Taub gegen die Stimmen der wenigen Offiziere, die ihnen für den folgenden Tag den Tod voraussagten, verschwendeten sie den Vorrat an Mut, der nötig gewesen wäre, um den Fluß zu überschreiten, darauf, sich für eine einzige Nacht ein Asyl zu bauen und sich eine oft verhängnisvolle Mahlzeit zu bereiten. Dieser Tod, der ihrer harrte, erschien ihnen nicht mehr als ein Übel, wenn er ihnen nur eine Schlummerstunde ließ. Den Namen des Übels gaben sie nur noch dem Hunger, dem Durst und der Kälte. Als kein Holz, kein Feuer, keine Leinwand, kein Dach mehr zu finden war, entspannen sich zwischen denen, die, aller Dinge bar, neu eintrafen, und den Reichen, die einen Unterschlupf besaßen, grauenhafte Kämpfe. Die Schwächeren erlagen. Schließlich kam ein Augenblick, wo ein paar Leute, vom Feinde gejagt, nur noch den Schnee als Lager fanden; und sie legten sich nieder, um nicht wieder aufzustehen. Unmerklich wurde die Masse fast vernichteter Wesen so kompakt, so taub, so stumpf, oder vielleicht so glücklich, daß der Marschall Viktor, der sie heroisch verteidigt hatte, indem er zwanzigtausend Russen unter dem Befehl Wittgensteins Widerstand leistete, gezwungen war, sich mit der Waffe durch diesen Menschenwald Bahn zu schaffen, damit die fünftausend Helden, die er dem Kaiser zuführte, die Beresina überschreiten konnten. Die Unglücklichen ließen sich eher zerstampfen, als daß sie sich rührten; schweigend kamen sie um, an ihren erloschenen Feuern lächelnd, ohne an Frankreich zu denken. Erst um zehn Uhr abends war der Herzog von Belluno [Fußnote: Claude Perrin, genannt Viktor, Herzog von Belluno, französischer Marschall.] auf der anderen Seite des Flusses. Ehe er die Brücken betrat, die nach Zembin führten, vertraute er Eblé, jenem Retter all derer, die das Unheil der Beresina überlebten, das Schicksal der Nachhut von Studjanka an. Etwa gegen Mitternacht verließ dieser große General, begleitet von einem mutigen Offizier, die kleine Hütte in der Nähe der Brücke, die er inne hatte, und er begann das Schauspiel zu betrachten, das jenes Lager zwischen der Beresina und der Straße von Borissow nach Studjanka darbot. Die russischen Kanonen hatten ihren Donner eingestellt; zahllose Feuer, die mitten in diesen Schneemengen erblaßten und kein Licht zu werfen schienen, beleuchteten hier und da Gestalten, die nichts Menschliches mehr hatten. Da lagen etwa dreißigtausend Unglückliche all der Nationen, die Napoleon nach Rußland geworfen hatte, und verspielten mit brutaler Gleichgültigkeit ihr Leben.
    »Laß uns all das retten«, sagte der General zu dem Offizier; »morgen früh werden die Russen in Studjanka stehen. Wir müssen in dem Augenblick, in dem sie kommen, die Brücke abbrennen. Also Mut, mein Freund! Brich dir bis zur Höhe Bahn; sag dem General Fournier, daß er kaum Zeit hat, seine Stellung zu räumen und all diese Leute zu durchbrechen, um die Brücke zu überschreiten. Wenn du siehst, daß er sich auf den Weg gemacht hat, so folge ihm. Von ein paar kräftigen Leuten unterstützt, verbrennst du dann erbarmungslos die Biwake, die Wagen,

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